München – Mesut Özil sei „ein lieber Kerl“, sagt Toni Kroos und rechnet dann doch mit dem Ex-Kollegen ab. „Die Art und Weise seines Rücktritts“ sei „nicht in Ordnung“, sagt Kroos in einem Interview mit der „Bild“ und kritisiert Özil dann frontal: „Der Anteil, der in seiner Erklärung gut und richtig angesprochen wird, wird leider durch den wesentlich höheren Anteil an Quatsch überschattet.“
Der Verbal-Angriff von Ex-Weltmeister zu Ex-Weltmeister ist erstaunlich, schließlich übten sich andere Kollegen wie Nationalmannschafts-Kapitän Manuel Neuer oder Thomas Müller bei dem heiklen Thema zuletzt eher in Fußball-Diplomatie. Dass sich Özil im Kreis des DFB-Teams nach eigener Aussage zuletzt offenbar diskriminiert gefühlt habe, kann Kroos nicht nachvollziehen: „Ich denke, dass er selbst weiß, dass es Rassismus innerhalb der Nationalmannschaft und des DFB nicht gibt.“
Das Gegenteil sei der Fall, so Kroos. „Wir setzen uns ja immer wieder aus Überzeugung für Vielfalt und Integration ein. Mesut war dafür ein gutes Beispiel, wie viele andere unserer Mitspieler auch“, sagt der Mittelfeldstar von Real Madrid. Und auch zu dem Auslöser der Affäre, dem gemeinsamen Bild von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat er eine klare Meinung.
Özil sei zu Recht für das Foto kritisiert worden, findet er. „Und er hat die Chance verstreichen lassen, sich dazu zu erklären.“. Nach dem Aus sei er- „wie wir anderen auch – für die Leistung bei der WM kritisiert“ worden. Kroos räumt aber ein, dass die „Art der Kritik“ sicher „nicht immer auf gutem Niveau“ geäußert wurde, „aber da muss man als Spieler dann durch“.
Im Gegensatz zu Özil will Kroos weiter für Deutschland spielen. Er habe sich „schon vor der WM – und speziell danach – viele Gedanken“ zu einem Karriereende im DFB-Team gemacht „und alle möglichen Entscheidungen in Erwägung gezogen. Und zwar grundsätzlich, unabhängig von Erfolg oder Misserfolg in Russland.“
Nach dem Vorrunden-Aus habe er sich mit seiner Frau Jessy beraten, erklärte Kroos. Sie sei die Erste gewesen, „die gesagt hat: Schatz, so kannst du nicht zurücktreten.“ Um bei der EM 2020 erfolgreicher abzuschneiden, müssen sich laut Kroos einige Dinge ändern. Er verlangt, „dass wir wieder gieriger und zwingender werden, was das Toreschießen angeht“ Außerdem müsse man „wieder unangenehmer werden im Defensivverhalten als Mannschaft“.
Neben den sportlichen Aspekten geht es ihm vor allem um die Einstellung in der Mannschaft. Diese müsse „wieder dahinkommen, dass jeder sein Ego in den Hintergrund stellt, sich und seine Stärken zum Wohl des Teams einbringt und der mannschaftliche Erfolg im Mittelpunkt steht“, sagt er: „Wer nur auf Lobeshymnen hört und dann denkt, er ist der Beste, Tollste und Schönste, der tut sich schwer damit, wenn er plötzlich auf der Bank sitzt.“ sid