München – Wenn nicht er, wer sonst? Philipp Lahm soll Organisationschef der Fußball-Europameisterschaft 2024 werden, falls Deutschland am 27. September im schweizerischen Nyon den Zuschlag für das Turnier erhält. Einziger Konkurrent des Deutschen Fußball-Bundes ist die Türkei. Auch wegen der Affäre um Mesut Özil ist die Entscheidung zum Politikum geworden.
Der DFB bestätigte gestern die Personalie Lahm. Zuvor hatte der „Kicker“ gemeldet, dass der Weltmeister von 2014 seine Zusage gegeben habe. In seiner neuen Funktion werde Lahm als nachrückendes Mitglied dem DFB-Präsidium angehören und seine Erfahrung auch bei sportlichen Themen einbringen, teilte der Verband mit.
„Es war von Beginn meiner Tätigkeit als Botschafter für die Euro 2024 an ein Wunsch, langfristig Verantwortung zu übernehmen. Die neue Aufgabe als Turnierchef bietet mir eine sehr interessante Möglichkeit dazu“, sagte der 34-Jährige, der in den vergangenen Monaten für die Ausrichtung der zweiten EM nach 1988 in Deutschland geworben hatte..
Wegen des desolaten Abschneidens bei der WM in Russland, der ersten nach zuvor drei Endrunden mit Lahm, waren die Rufe nach mehr sportlicher Kompetenz im DFB immer lauter geworden. Mit dem Ehrenspielführer, der zuletzt Bundestrainer Joachim Löw für dessen Führungsstil öffentlich kritisiert hatte, gewinnt der DFB einen Sympathieträger, der nicht unbedingt immer auf der Linie von Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff liegen muss. DFB-Präsident Reinhard Grindel betonte: „Die Entscheidung, Philipp Lahm langfristig an den Verband zu binden, ist in enger Abstimmung und mit breiter Zustimmung des DFB-Präsidiums und Vertretern aus der Bundesliga gefallen.“
Zuletzt war der DFB in Sachen EM in die Defensive geraten. Deutschland hatte mit Werbefigur Lahm auch auf Themen wie Pressefreiheit und Menschenrechte gesetzt – in Abgrenzung zur Türkei. Die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurden für Grindel deshalb zum PR-Desaster. Unter den 18 wahlberechtigten UEFA-Funktionären hat der DFB wohl noch eine knappe Mehrheit, aber gerade die osteuropäischen Delegierten gelten als potenzielle Türkei-Unterstützer.
Für Lahm ist der Schritt in die Sportpolitik die konsequente Fortsetzung seiner Karriere. Als Kapitän führte er die Nationalmannschaft 2014 zum Weltmeistertitel, drei Jahre später beendete er seine Laufbahn beim FC Bayern München. Der verheiratete Vater von zwei Kindern stieg in fünf Unternehmen ein und widmete sich seiner Stiftung für Bildung und Sport.
Die beiden Bayern-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die den DFB gerne laut und deutlich kritisieren und dies nach der WM auch getan haben, dürften in Lahms Zusage die ideale Lösung sehen. Dem Rekordmeister hatte der 34-Jährige einst abgesagt, als in München ein Sportdirektor gesucht wurde. Dem Vernehmen nach war der (zu) große Einfluss der beiden Machtfiguren der Grund für Lahms damalige Entscheidung.
Zum Spielverderber für Lahms großen Karrieresprung könnten nun nur noch die Türkei werden. Bei der Vergabe sind 18 Funktionäre im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA) wahlberechtigt, der DFB und der türkische Verband TFF sind die einzigen Kandidaten. Der deutsche Gegner versuchte zuletzt, aus dem Rücktritt von Mesut Özil Kapital zu schlagen. Auf den DFB kommen noch sechs harte Wochen Wahlkampf zu.
Grindel lobte Lahms bisherigen „hervorragenden und engagierten“ Job als Botschafter. Er sei überzeugt, dass dies auch über den 27. September hinaus der Fall sein wird“, sagte der frühere Bundestagsabgeordnete, der mittlerweile höchst umstritten ist. Grindels Zukunft beim DFB ist wohl eng mit der EM-Vergabe verbunden. dpa/sid