Entdeckungen am Laptop

von Redaktion

Weil das Geld fehlt, setzen Herrschings Volleyballer auf „Spieler, die kein Mensch kennt“ – und den Riecher des Trainers

von christopher meltzer

München – In seiner Freizeit sitzt Max Hauser oft vor dem Laptop. Er schaut sich dann meistens Volleyballspiele aus den kleinen europäischen Ligen an, wo er noch talentierte Spieler findet, die sich auch sein TSV Herrsching leisten kann. Und weil sich jene Spieler in der Vergangenheit oft auch in der Bundesliga behauptet haben, hat sich Hauser einen hervorragenden Ruf als Talentspäher erscoutet. Seit ein paar Tagen bereitet sich Hauser mit den ersten Neuankömmlingen auf den Saisonstart im Oktober vor. Und er, der fachkundige Cheftrainer, sagt: „Ich kann meine eigene Mannschaft gar nicht einschätzen. Ich habe Wundertüten geholt.“

Es hat sich viel verändert bei den Profivolleyballern am Ammersee, das fängt schon mit dem Namen an. Im Februar hatten sie angekündigt, sich aus der Bundesliga zurückzuziehen, wenn sie künftig nicht mit mehr Geld planen können. Sie riefen damals eine Spendenaktion ins Leben, viele Menschen beteiligten sich, trotzdem plante Hauser für die zweite Liga. „Ich hatte den Kader fast schon zusammen“, sagt er. Dann meldete sich die WWK, eine Versicherungsfirma aus München, und versicherte ihre Unterstützung. Für ein Jahr, mindestens.

„Das war unsere letzte Chance“, sagt Hauser, 34, der als einer von drei Gesellschaftern selbst schon viel Geld in die GmbH investiert hat, die den Profisport in dem kleinen Verein organisiert. Er stimmte dem Deal der Volleyballer mit dem neuen Sponsor zu – und damit auch dem neuen Namen: WWK Volleys Herrsching. Doch obwohl der Club endlich einen Partner mit Geld gefunden hat, hat er sich erneut einen Sparkurs auferlegt. Um in Zukunft „dauerhaft“ mehr Geld ausgeben zu können, wie Hauser sagt. Oft muss der Trainer Hauser auf den Gesellschafter Hauser hören.

Das klappt gut, weil er die Kunst der Improvisation beherrscht. Denn auch vor dem fünften Herrschinger Bundesligajahr gilt: Wenn ein Spieler dort für wenig Geld überperformt, kauft ihn sofort ein anderer Club. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie den Libero Ferdinand Tille, der 165 Mal für die Nationalmannschaft gespielt hat, sich in Herrsching aber wohlfühlt und nebenbei auf das Leben nach dem Spitzensport vorbereitet. Er ist neben dem Außenangreifer Tim Peter der einzige Spieler, der schon in der Vorsaison mitmischte. In einer Liga mit Teams, die weiter aufrüsten, ist das freilich ein Nachteil. Inzwischen hat der Club sechs Zugänge bestätigt, mit zwei weiteren ist er sich einig. „Die meisten sind Spieler, die kein Mensch kennt“, sagt Hauser, „da hoffe ich, dass ich den richtigen Riecher hatte.“

Mit dieser Strategie wettet Hauser auf sich selbst. Vor einem Jahr ging sein Plan auf. Er holte den polnischen Zuspieler Michal Sládecek, der die Liga mit seinem Tempo beeindruckte. Er setzte auf den Kanadier Andre Brown, der mehr Blocks sammelte als jeder andere Bundesligaprofi. Und dann gibt es noch den Fall Christoph Marks.

Unter Hauser entwickelte sich der Angreifer zum Liga-Topscorer. Jetzt reden Spieler und Club nur noch über Anwälte miteinander. Die Herrschinger sagen, sie haben eine Option zur Verlängerung gezogen. Marks sagt, das stimmt nicht. Er hat in Italien bereits ein neues Arbeitspapier unterschrieben, was der TSV ihm nicht durchgehen lassen will. „Es geht ums Prinzip“, sagt Hauser. Marks habe hervorragend gespielt und er gönne ihm den Wechsel, aber: „Das kann ich nicht akzeptieren.“

Die Herrschinger kämpfen natürlich auch für eine kleine Ablösesumme, vor allem aber wollen sie ein Zeichen setzen, sehr viele ihrer neuen Spieler haben nämlich solche Verträge (1+1) unterzeichnet. Den Trainer Max Hauser erinnert der Fall Marks an ein Risiko, das das Scouten mit dem Laptop nach sich zieht: „Wie die Leute mental drauf sind, sehe ich auf dem Video nicht.“

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