München – Nach zehnjähriger Pause feiert die Deutschland-Tour morgen eine Art Wiederauferstehung. Das Etappenrennen, das 2008 infolge der Dopingkrise eingestellt wurde, startet in Koblenz und endet nach vier Etappen in Stuttgart. Mit von der Partie sind so prominente Fahrer wie der aktuelle Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas und der Tour-Zweite Tom Dumoulain. Zudem ist die deutsche Sprinter-Garde mit Marcel Kittel, Andre Greipel und Pascal Ackermann vertreten. Wir unterhielten uns über dieses Ereignis mit Ewald Strohmeier. Der 69-Jährige aus Wartenberg kennt sich mit Etappenrennen aus. 35 Jahre lang war er Chef der Bayern-Rundfahrt, die zum letzten Mal 2015 ausgetragen wurde.
-Ewald Strohmeier, wie groß ist für Sie als Freund des Radsports die Vorfreude auf das Comeback der Deutschland-Tour?
Das ist eine gute Geschichte. Da brauchen wir nicht reden. Jeder Rad-Renntag, den wir in Deutschland haben, ist eine gute Sache. Es ist schön, dass es die Deutschland-Tour wieder gibt.
-Die Folgen der Doping-Krise, die in der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre ihren Höhepunkt hatte, gelten schon länger als einigermaßen überwunden. Warum dauerte es so lange mit dem Neustart der Deutschland-Tour?
Das größte Problem ist das Geld. In Deutschland gehen gefühlt 99 Prozent aller Sponsorengelder in den Fußball. Nirgendwo findet sich Geld für andere Sportarten. Wir haben das bei der Bayern-Rundfahrt auch feststellen müssen, dass keine Sponsoren zu finden waren, die eine gute, eingeführte Veranstaltung unterstützt hätten. Die große Ausnahme ist Ralph Denk mit seinem Bora-hansgrohe-Rennstall. Das ist echt große Klasse, was der Ralph in Raubling auf die Beine gestellt hat. Da können wir stolz darauf sein, dass es die gibt.
-Wie ist das überwiegende Desinteresse der Sponsoren zu erklären?
Ganz einfach. Alle haben nur eines im Kopf: Fußball, Fußball, Fußball. In Deutschland ist man da schon in einem Wahn drin. Und es war ein guter Tag für den deutschen Sport, als die Fußballnationalmannschaft bei der WM gegen Südkorea ausgeschieden ist. Es ist wirklich so verrückt, wie sich das alles entwickelt hat. Zum Beispiel die horrenden Ablösesummen im Fußball: Das ist doch ein Irrsinn! Doch keiner steuert dagegen.
-Immerhin ist es der Deutschland-Tour gelungen, ein prominentes Starterfeld zusammenzustellen. Sogar Tour-Sieger Geraint Thomas ist dabei …
Die Besetzung ist okay, da brauchen wir nicht reden. Man muss natürlich auch sehen, wer der Veranstalter ist.
-Sie meinen die ASO, die auch die Tour de France organisiert …
Ja, das ist natürlich das Schwergewicht in der Welt des Radsports. Und wenn die sagen: Wir brauchen da ein paar Hochkaräter am Start – dann kommen die auch.
-Geraint Thomas hat auch zweimal die Bayern-Rundfahrt gewonnen. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?
Als einen sehr zurückhaltenden, braven, soliden Fahrer.
-Überrascht es Sie, dass er erst mit 31 den ganz großen Durchbruch geschafft hat?
Ich würde es so sagen: Das ist wirklich schön. Und ich bin heilfroh, dass er gewonnen hat und nicht Christopher Froome. Der ist doch mit seiner Asthma-Geschichte irgendwie verbrannt.
-Glauben Sie, dass es wieder einmal so werden könnte wie in den Jahren nach Jan Ullrichs Tour-Sieg 1997, als es in Deutschland einen Radsportboom gab?
Doch, das halte ich schon für möglich. Wir haben ja auch einige wirklich hoffnungsvolle Fahrer, die nachkommen. Emanuel Buchmann, Pascal Ackermann, Maximilian Schachmann zum Beispiel. Das ist schon eine Freude, die zu sehen.
-An die große Zeit des deutschen Radsports wurde man dieser Tage wieder erinnert. Allerdings auf eher traurig stimmende Art – durch den Absturz von Jan Ullrich. Wie denken Sie über den tief gefallenen Tour-Helden?
Es ist schade. Ullrich hätte halt gestehen müssen, dass er das Gleiche getan hat wie alle anderen auch zu dieser Zeit, dann wäre das aufgearbeitet – und er könnte anders leben. Wenn man einen Fehler eingesteht, dann wird vieles einfacher als ewig irgendwie dahin zu wursteln. Schauen Sie doch Ullrichs frühere Kollegen an: Erik Zabel, Andreas Klöden, Rolf Aldag. Die leben alle ganz vernünftig. Jeder hat einen ordentlichen Job. Man darf natürlich nicht vergessen: Das waren damals alles junge Leute. Was haben die schon können? Die haben nichts anderes gelernt als Radlfahren. Und man hat ihnen sogar das Rennrad unter den Hintern geschoben, und sie haben nur noch treten müssen. Und dann hat man ihnen gesagt: Nimm das und das.
-Sie haben nach 2015 die Bayern-Rundfahrt einstellen müssen. Sehen Sie eine Chance, dass auch Ihr Rennen eines Tages wieder eine Neuauflage erlebt wie die Deutschland-Tour?
In den nächsten beiden Jahren sicher nicht. Es ist einfach zu schwer, Sponsoren aufzutreiben.
-Sie hatten ja über Jahrzehnte viel Herzblut in Ihre Rundfahrt gesteckt. Tut’s noch weh, dass Sie sich davon verabschieden mussten?
Mei, man muss sich damit abfinden. Wir haben 35 Jahre lang eine gute Veranstaltung gemacht. Aber wenn es nicht sein soll, weil kein Geld da ist, dann kann ich auch nichts machen. Es ist traurig, dass es so ist. Und es ist auch schade für die vielen Zuschauer.
Das Interview führte Armin Gibis