München – Vor zwei Wochen hat Ronny Zimmermann, der DFB-Vizepräsident, mal wieder über den Videobeweis referiert. Er musste irgendwie erklären, warum die technische Hilfe, die er als oberster Aufseher der deutschen Schiedsrichterei auch mitverantwortet, in ihrem ersten Bundesligajahr mit peinlichen Fehlern versehen war, in Russland aber ganz geschmeidig in die WM eingeflochten worden ist. Zimmermann sagte: „Bei der WM wurde in Sachen VAR (Video Assistant Referee; d. Red.) Chaos erwartet, in Deutschland dagegen geht man immer von Perfektion aus.“ Er merkte dann – mit Blick auf den großen Unmut in der Liga – noch an, dass die emotionale Bindung der Fans zu ihren Clubs in der Bundesliga höher sei als zu Nationalmannschaften. So geht Selbstkritik beim DFB.
Nun hat der Verband den Videobeweis in seinem ersten Jahr nicht alleine verbockt. Er hat mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zusammengearbeitet. Die zwei großen Player mögen manchmal ähnlich selbstgefällig sein, im Fall des Videoschiedsrichters ist ihnen aber gar nichts anderes übrig geblieben, als ein paar Anpassungen vorzunehmen. Spätestens das Ergebnis aus Russland hat sie dazu gezwungen. „Ich war begeistert, wie der Videobeweis bei der WM umgesetzt wurde“, sagte etwa Rudi Völler, der Sportvorstand von Bayer Leverkursen. Über die Bundesliga konnte er das nicht sagen.
Die VAR-Strippenzieher in Deutschland haben vor dem Saisonstart zwei große Veränderungen eingeleitet. Fortan können die Schiedsrichter auf kalibrierten Abseitslinien zurückgreifen. Mit diesen 3D-Linien, so heißt es, sollen Abseitspositionen auf dem Bildschirm einfacher und schneller festgestellt werden. Der frühere WM-Schiedsrichter Dr. Markus Merk aber warnt: „Bei der WM wurde die Abseitslinie nur in zwei oder drei Fällen gebraucht und auch da war sie einmal zweifelhaft.“
Die zweite Neuheit betrifft die Kommunikation mit dem Zuschauer. Um ihn zumindest optisch in den Prozess der Entscheidung einzubinden, setzen die TV-Sender das bereits in Russland eingesetzte Bild ein – mit drei verschiedenen Einstellungen. Die Fans im Stadion sehen auf den Leinwänden einen Text – aber als bei der WM keine Videoeinblendungen. Auf den ersten Blick widerspricht das dem Transparenzversprechen, Markus Merk aber sagt: „Wenn ein Bild gezeigt wird, dass für den Zuschauer nicht stimmig ist, kann die Eskalation im Stadion ins Uferlose gehen.“
Die beiden Eingriffe scheinen sinnvoll, doch noch immer spielt die Diskussion um den VAR mit einem großen Wort: Gerechtigkeit. In anderen Sportarten ging das auf. Die Bundesliga aber, das hat Markus Merk gerade gesagt, sei „bei der Technik und den Menschen, die sie bedienen, noch einen Schritt weit entfernt“. christopher meltzer