Tennis: US Open

Eindringling mit feinem Händchen

von Redaktion

Philipp Kohlschreiber entnervt Alexander Zverev, der auf den Grand Slam-Durchbruch weiter warten muss

von doris henkel

New York – An einem guten Tag, das wissen alle, ist Philipp Kohlschreiber einer der härtesten Gegner, die man im Tennis haben kann. Schnell auf den Beinen, mit einer aus dem Raster fallenden Mischung aus Vorhand-Topspin, einer variantenreichen, oft als Slice gespielten Rückhand und höchst unangenehmen Stops. Aber diesmal hatte er nicht nur einen guten Tag, sondern einen extrem guten mit einer doppelten Dosis Slice und Finessen aller Art.

Diese Mischung war zu viel für Alexander Zverev. Mit perfekter Taktik entschärfte Kohlschreiber das Spiel des 13 Jahren jüngeren Kollegen und setzte seinen Plan um, der da lautete: Ich muss in sein Spiel reinkommen, muss in seinen Kopf reinkommen und muss ihn nerven. Mit der Erfahrung aus 125 Grand-Slam-Spielen und seinem feinen Händchen beschäftigte er Zverev. „Mein variantenreiches Spiel hat ihm sehr wehgetan“, stellte er nach dem ersten Sieg gegen seinen Nachfolger als Nummer eins in Deutschland seit drei Jahren an gleicher Stelle fest.

Je länger die Partie dauerte, desto mehr schwanden Sicherheit und Dynamik in Zverevs Spiel. Es passte ins Bild, dass der am Ende mit drei unerzwungenen Vorhand-Fehlern verlor (7:6, 4:6, 1:6, 3:6). Kohlschreibers Rückhand-Slice zwang ihn immer wieder in die Knie, das Winkelspiel versperrte ihm den geraden Weg zum Ziel, und es wurde wieder mal deutlich, dass der als langer Kerl von fast zwei Metern in der Vorwärtsbewegung noch Defizite hat.

Fünfmal hatte Zverev in diesem Jahr ein Spiel nach 1:2-Rückstand gedreht und gewonnen; einmal zuletzt in Wimbledon, dreimal bei den French Open und Anfang Februar beim Davis Cup in Brisbane. Diesmal schaffte er es trotz einer 3:0-Führung im vierten Satz nicht. Zu dem Zeitpunkt, so sagte er hinterher, habe er gedacht, auf dem richtigen Weg zu sein, aber irgendwie habe es dann nicht funktioniert. Er gab zu, gegen Kohlschreibers schlauen Plan sei ihm kein wirksames Rezept eingefallen, und mehr als 50 unerzwungene Fehler hätten sicher auch nicht geholfen. Zverevs Fazit für das Turnier: Mit zwei souveränen Siegen gut gestartet, dann mit ein paar Denkaufgaben auf die Heimreise geschickt.

Obwohl seine Bilanz bei den Grand-Slam-Turnieren (10:4) deutlich besser ist als 2017 (6:4) kommt er nicht an der Erkenntnis vorbei, dass manche Dinge etwas länger dauern als gedacht. 2018 sei ein Schritt nach vorn gewesen, sagt Zverev; das Viertelfinale bei den French Open sei ein Erfolg gewesen, bei den anderen drei großen Turnieren habe er sich mehr erhofft. Und was ist mit dem Effekt des neuen Mannes, Ivan Lendl? „Das ist ein Prozess. Kann ja nicht sein, dass man sofort Ergebnisse sieht; ich hoffe, das passiert im nächsten Jahr.“

Philipp Kohlschreiber, der schlaue Fuchs, ist wie die meisten Leute vom Fach der Meinung, man solle sich keine Sorgen um Alexander Zverev machen, der sei ja noch jung und werde seinen Weg garantiert machen. Aber er gab ihm einen Satz mit auf den Weg, aus dem man schließen konnte, er habe bei der Lektion an diesem Tag schon auch seinen Spaß gehabt. Zverev mache so vieles richtig, sagte er, aber er habe dessen ganzem Team Ausbaumöglichkeiten gezeigt, wo noch nicht alles auf Weltklasseniveau sei.

Wie es um sein eigenes Niveau bestellt ist, wird man heute im Achtelfinale gegen Kei Nishikori sehen, in dem es darum geht, zwei Hürden gleichzeitig zu überspringen. Zum einen gewann er bisher in zwei Begegnungen mit dem Japaner keinen einzigen Satz, zum anderen war das Achtelfinale bisher in seiner Karriere fast immer die Endstation bei einem Grand-Slam-Turnier. Vom ersten Mal anno 2005 in Australien bis zum bisher letzten vor einem Jahr in New York gegen Roger Federer verlor er neunmal in dieser Runde und kam nur ein einziges Mal einen Schritt weiter, vor sechs Jahren in Wimbledon. In der jüngeren Vergangenheit hatte er jeweils das Pech, im Achtelfinale gegen Roger Federer, Novak Djokovic oder Rafael Nadal spielen zu müssen, und so kompliziert die Aufgabe gegen Nishikori auch werden wird, darin steckt zumindest eine Chance.

An die letzte Begegnung denkt er dabei besser nicht, die verlor er 1:6, 2:6. Oder, wie er es selbst in seinem trockenen Humor so schön beschrieb: „Beim letzten Mal hat er mich gut verarztet.“

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