Stuttgart – Der Pullover hing wieder einmal locker über den Schultern, auch noch später, als es etwas kühler wurde in Stuttgart und Niko Kovac zur Analyse des 3:0-Sieges seines FC Bayern schritt. Für diese modische Finesse aus den achtziger Jahren hatte er ja schon Stilkritiken über sich ergehen lassen müssen, als er noch Trainer bei Eintracht Frankfurt war. Die neue Erkenntnis ist, dass er sich von seinem Stil auch beim FC Bayern nicht abbringen lässt.
Kovac hält meistens fest, wovon er überzeugt ist. Aber der neue Coach ist eben auch Pragmatiker und deshalb hat er bereits bei Dienstantritt in München Anfang Juli verkündet, sein bisher als Trainer präferiertes System zurückzustellen und das des deutschen Rekordmeisters fortzuführen, weitgehend jedenfalls auf Ballbesitz- statt auf Balleroberungs-Fußball zu setzen – trotz der Kritik bei der WM. Nach vier Siegen in vier Spielen gibt es dafür Bestätigung. „Wir waren zufrieden, das sah nach Fußball aus“, sagte Präsident Uli Hoeneß am Samstag gut gelaunt.
Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Kovac-Bayern kaum von den Heynckes-Bayern oder den Guardiola-Bayern. Sie dominieren, sie gewinnen – und die Konkurrenz scheint bereits nach zwei Saisonspielen zu resignieren. „Bayern“, sagt Stuttgarts Sportdirektor Michael Reschke, „ist eine ganz andere Kragenweite.“ Er habe schon vor dem Auftakt gesagt, dass die Münchner Deutscher Meister werden würden, „und nicht nur in diesem Jahr, sondern auch nächstes und übernächstes“.
Nach gerade einmal zwei Spieltagen findet es der Favorit etwas übertrieben, von einer Entscheidung im Meisterkampf zu sprechen. Wie jede Saison werden „sehr viele schwere Momente kommen“ sagt Mats Hummels. „Die muss man überstehen.“ Arjen Robben weist auf die Transferaktivitäten der Konkurrenten hin., „Die haben sich verbessert“, sagt er. „Man muss immer wieder die Leistung abrufen. Nichts bekommt man geschenkt.“
Die Schwaben versuchten, was die meisten Mannschaften in den vergangenen Jahren gegen die Bayern getan hatten: den Meister mit einer kompakten Abwehrreihe vom eigenen Strafraum fernzuhalten – etwas ideenlos und nur aussichtsreich, wenn die raren Konterchancen nicht halbherzig ausgespielt werden. Der VfB schaffte es in den gut 90 Minuten nicht, auch nur einmal Manuel Neuer zu einer Parade zu zwingen. Es kam kein einziger Schuss auf sein Tor.
Den Stuttgartern erging es wie den meisten Bundesliga-Mannschaften. Auch ihnen gelang es nicht, das Abwehr-Bollwerk über die gesamte Spielzeit kompakt zu halten. In der ersten halben Stunde schienen die Bayern, stellte Mario Gomez fest, „fast schon ein bisschen verzweifelt“, aber dann „haben wir die Geduld ein bisschen verloren“. Leon Goretzkas 1:0 war laut Kovac „der Türöffner“ für den Sieg, den Robert Lewandowski (sechster Treffer im vierten Pflichtspiel) und Thomas Müller komplettierten.
Es ist wie so oft bei solchen Spielen die Frage, ob sich den Bayern in der zweiten Hälfte nur deshalb so viel größere Räume boten, weil die Gegenwehr nachließ oder weil die Fehler von den Münchnern erzwungen wurden.
Kovac hat seinen Spielern ein paar Tipps mit auf den Platz gegeben, wie der Defensivriegel der Stuttgarter zu knacken ist. Die Münchner sollten „die Spielverlagerung suchen, um den Gegner zu bewegen und ihn ein Stück müde zu bekommen“, sagte Goretzka.
Nichts Neues eigentlich, und auch nicht für die Bayern, bei denen dies auch Guardiola und Heynckes forciert hatten. Aber als neuer Trainer findet Kovac wohl im Moment besonders große Aufmerksamkeit, zumal er den angekündigten Konkurrenzkampf in der Mannschaft bisher konsequent durchzieht. Am Samstag hatten Sandro Wagner und Renato Sanches daheim bleiben müssen, Javi Martinez saß nur auf der Bank. „Bei der Konstellation muss jeder liefern“, weiß Müller. „Und momentan liefert jeder alles ab.“