München – Horst Hrubesch hat bei seinem Gastspiel als Bundestrainer der DFB-Frauen einiges gelernt, im fortgeschrittenen Alter von 67 Jahren und auch trotz seiner 46 Jahre glücklicher Ehe. Beispielsweise, dass man nicht immer ein Charmeur der alten Schule sein muss. Letzte Woche wollte er Kristin Demann bei einer gemeinsamen Pressekonferenz ganz galant die Platzwahl auf dem Podium überlassen. Sie aber lächelte, als er ihr großzügig schon den Stuhl in der Mitte zurechtrückte – und lehnte ab: Im Zentrum sollte schon der Coach sitzen, meinte sie.
Kristin Demann, 25, weiß auch so, wo ihr Platz ist. Auf dem Spielfeld ist ihr nämlich eine zunehmend zentralere Rolle reserviert. Seit sie vor einem Jahr von der TSG Hoffenheim zum FC Bayern gewechselt ist, hat sie sich rasant entwickelt; in München wie bei der Nationalelf zählt sie nun zu den Stützen. Beim 2:0 im elementar wichtigen WM-Qualifikationsspiel auf Island trug sie die Kapitänsbinde, und auch heute, wenn es auf den Färör darum geht, das Ticket für das Turnier in Frankreich im nächsten Sommer endgültig zu fixieren (17 Uhr/ARD), wird sie den Ton angeben. Dass es noch schiefgeht mit der WM-Teilnahme ist nicht zu erwarten. Die Färöer sind punktlos Tabellenletzter, im Oktober gewannen die Deutschen das Hinspiel 11:0. Nach dem Sieg am Samstag auf Island führt das DFB-Team die Gruppe mit zwei Punkten Vorsprung an. Wenn das alles nicht reicht, kann der Verband die Sparte Frauenfußball einstampfen, wie es einigen Chauvinisten eh am liebsten wäre.
Die deutschen Fußballfrauen sind in den letzten Monaten bedenklich vom Kurs abgekommen, umso wichtiger ist, dass sich Figuren wie Kristin Demann entwickeln. „Ich versuche, Stück für Stück immer mehr Verantwortung zu übernehmen“, sagt sie, und es gelingt ihr ziemlich gut; beim FC Bayern wurde ihr Vertrag gerade erst vorzeitig um ein weiteres Jahr bis 2020 verlängert. Für Managerin Karin Danner ist die 25-Jährige die neue Melanie Behringer, und Demann freut sich natürlich über diesen ehrenvollen Vergleich: „Mel hat so viel gewonnen, es wäre schön, wenn ich das auch alles schaffen würde. Bei Bayern wächst etwas Großes zusammen, da schlummert vor allem international noch sehr viel. Wir wollen einiges bewegen.“
Dass ihr eine zentrale Rolle zukommt, ist ihrem Naturell geschuldet und auch ihrem Verwendungsbereich. Zu Beginn ihrer Zeit in München pendelte sie zwischen der „6“ und der Innenverteidigung, auch bei der Nationalelf lief sie schon in unterschiedlichen Positionen auf. Eigentlich ist es ihr egal, wo sie eingeteilt wird, das ist bei ihr selbst auch Bauchsache, sagt sie. An einem Tag gefällt ihr die eine Position besser, am nächsten die andere. „Hauptsache zentral“, sagt sie, „ich versuche, das Spiel von hinten heraus zu ordnen und die Mannschaft zusammenzuhalten.“ Im Grunde ist sie damit auch schon bestens beschrieben: Kristin Demann ist die neue Zusammenhalterin, die die DFB-Frauen nun schon recht lange gesucht haben.
Druck verspürt sie keinen, sagt sie, nicht wegen der Vergleiche mit Melanie Behringer und auch nicht wegen der Erwartungen an die deutsche Nationalelf. „Ich habe in Hoffenheim gegen den Abstieg spielen müssen, im Vergleich dazu ist die jetzige Konstellation wenn überhaupt positiver Druck. Das ist eine Motivation“, sagt sie. Zudem helfe es, stets schrittweise zu denken, findet sie: Jetzt gehe es der Mannschaft erst einmal um ein schönes Abschiedsgeschenk für Hrubesch – jenen Mann, der sich den Platz in ihrer Mitte verdient hat.