Garching-Hochbrück – Das Klicken ist schon aus der Ferne zu hören. Ein schmaler Steinweg schlängelt sich zur Olympia-Schießanlage in Garching-Hochbrück. Der Regen trommelt, überstimmt das Klicken aber nicht. Klick, klick, immer wieder. Als sich die Tür zur großen Luftdruckwaffenhalle öffnet, erhöht sich der Takt, die Lautstärke auch. Klick, klick, klick. 100 Luftgewehr-Stände reihen sich auf, fast alle sind besetzt. Die Zeigefinger zucken, wenn sie fest genug am Abzug ziehen, entsteht das Klicken. Es ist der Sound des Sportschießens. In diesen Tagen erklingt er hier, in Garching-Hochbrück, besonders häufig. Die Experten schätzen: Eine Viertelmillion Schüsse werden abgefeuert – an zwölf Wettkampftagen.
Als Gerhard Furnier die Tür des Containers schließt, verstummt das Klicken. Er setzt sich hin, lächelt. Furnier, Brille, weißes Hemd, wenige Haare, hat sich in dem kleinen Container ein Büro eingerichtet. Ein Schreibtisch mit einem Laptop, drei Stühle, Stift und Papier, das war’s. Furnier, der Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes (DSB), hat so viele Deutsche Meisterschaften mitgemacht, wenn er sein Büro verlässt, trifft er sofort einen alten Weggefährten, der ihn in ein Gespräch verwickelt. Elf Tage hat Furnier mit den Sportschützen im Norden Münchens verbracht, um die deutschen Titelkämpfe auszuschießen. Mehr als 7000 Athleten sind gekommen. Zum Vergleich: Bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang starteten rund 2900 Sportler. „Wir haben das größte Event des Sportschießens in Europa überhaupt“, sagt Furnier und merkt an: „Es ist eben sehr wichtig für uns.“
Der Verband nutzt die Meisterschaft, um mit seiner Basis in Kontakt zu treten. Natürlich schießen auch die Profis mit, sie sind aber in der Unterzahl. In Garching-Hochbrück tummeln sich die Amateure, man erkennt sie an ihren bunten Vereinsjacken. In den Pausen schlummern sie auf dem Boden, die Sporttasche dient als Kopfkissen. Manche können sich sogar in die Wohnwagen zurückziehen, die auf dem Gelände parken. Furnier hat immer wieder erlebt, wie Schützenfamilien gemeinsam zu den Meisterschaften reisen. „Es kann sein“, sagt er, „dass der Schüler schießt und zwei Stunden später der Opa.“
Furnier ist stolz auf dieses „Familiengefühl“, das er immer wieder erlebt. Dahinter steckt viel Arbeit. Um die vielen Einladungen zu verschicken, hat der DSB eine Softwarefirma angeheuert. In diesem Jahr unterstützen den Verband 260 Ehrenamtliche, darunter 50 geprüfte Kampfrichter. Mit den Schützen reisen dann auch stets die Händler an. Sie bauen ihre Zelte auf dem Gelände auf, verkaufen Schießhandschuhe, Unterhosen, vor allem aber: Gewehre und Pistolen. Man kann diese Ansammlung von Schusswaffen befremdlich finden, an den Ständen wird aber diskutiert und verhandelt.
Im Büro von Gerhard Furnier bleibt es ruhig. „Es ist eine ziemlich angenehme Meisterschaft“, sagt er. Das war nicht immer so. Als der Verband seine Titelkämpfe digitalisierte, folgten „viele Diskussionen und Streitereien“. In sein Büro stampften wütende Schützen, die sich beschwerten. Die Elektronik habe sich aber eingelebt, sagt Furnier. Im Container ist wieder Ruhe eingekehrt.
An seinem Platz schielt Furnier an diesem Tag immer wieder auf den Laptop. Im Livestream verfolgt er die WM, in Südkorea werden die ersten Quotenplätze für Tokio 2020 vergeben. Die meisten deutschen Topschützen mischten vor ein paar Tagen noch in Garching-Hochbrück mit. Nun transportieren die Lautpsprecher des Laptops den Ton aus Südkorea in das Büro. Ganz leiste hört man: Klick, klick, klick. christopher meltzer