Manuel Neuers Desinteresse

Ein guter Kapitän?

von Redaktion

Vor zwei Jahren ist entschieden worden, wer Kapitän der Nationalmannschaft und Nachfolger von Bastian Schweinsteiger wird. Zur Wahl standen Jerome Boateng, damals im Popularitätshoch (auch weil das Land ein anderes war, sich entschiedener gegen den Rassismus der AfD stellte), und Manuel Neuer. Löw entschied sich für Neuer. Eine Erbfolge- und die sichere Nummer. Obwohl man grundsätzlich streiten kann: Ist Torwart die Position, von der aus man als Spielführer wirken kann?

Jerome Boateng – das lässt sich heute sagen – wäre tatsächlich keine gute Wahl gewesen. Die Leistung hat nachgelassen seit 2016 (auch in Folge von Verletzungen), doch vor allem hat der Münchner Verteidiger ein starkes Interesse entwickelt, zur Lifestyle-Ikone zu werden. Wie er das WM-Aus gegen Südkorea auf der Tribüne verfolgte, in Habitus und Kleidung ein fernab der Mannschaft Agierender, oder wie er nun in schrillen Klamotten zum Treffpunkt des Teams kam, als wäre der Weg vom Auto zur Tür ein Laufsteg – Karl-Heinz Rummenigges „Back to earth“-Appell hat schon seine Gründe.

Es ist aber nicht so, dass Manuel Neuer sich als die bessere Wahl herausstellt. Das Problem ist nicht, dass er wegen seines leidigen Mittelfußbruchs ein Jahr verpasste, und auch nicht, dass er, bevor diese Misere begann, seine Einsätze im DFB-Team wohldosierte. Es war letztlich, ohne dass ihm bei der WM eine Fehlleistung vorzuwerfen wäre, der Mannschaft nicht dienlich, dass er ohne Spielpraxis seinen Platz beanspruchte. Es hätte den Bundestrainer entbinden müssen von der Verpflichtung zu diesem Signal, das ein falsches war.

Vor allem aber: Neuer müsste jetzt als Kapitän seine Stimme erheben. Doch bei relevanten Themen wie der Rassismusdiskussion agiert er ungeschickt (als er im Bayern-Trainingslager der „Bild“ Stoff für dumpfe Parolen lieferte), oder duckt sich weg. Berichten wie dem im „Spiegel“, wonach es im Kader Gruppen gab, die sich in der Wahrnehmung der anderen als die „Kanaken“ oder „Kartoffeln“ empfanden, begegnet er mit kaltem Desinteresse („Habe das nicht gelesen“). Von einem DFB-Kapitän muss man Teilnahme erwarten. Und Haltung. Bei Manuel Neuer sind sie gerade nicht auszumachen.

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