München – Am Tag vor dem Spiel gegen Frankreich war Abschluss-Pressekonferenz mit Joachim Löw, und dabei gab es eine Frage aus Reihen der Reportern, die kurz stutzen ließ: Warum, Herr Bundestrainer, „haben Sie gleich sieben Innenverteidiger nominiert?“
Sieben, haha, nie und nimmer, eine Blamage, das zu fragen. Aber dann doch kurz durchgezählt – und tatsächlich: So viele finden sich im deutschen Kader für die Partien gegen Frankreich und am Sonntag in Sinsheim gegen Peru. Die drei Bayern (Boateng, Hummels, Süle), Matthias Ginter aus Mönchengladbach, der arme Kerl (oder Glückspilz), der bei der WM als einziger Feldspieler keine Minute hat mittun dürfen, dann Antonio Rüdiger, der aus dem vorläufigen WM-Kader gestrichene Jonathan Tah. Und noch einer: Thilo Kehrer, gerade zu Paris St. Germain gewechselt und erstmals von Löw berufen worden. Er hatte auf Schalke ja auch meist Innenverteidiger gespielt, in der Dreierkette ist er am stärksten. Sieben – und es gibt ja noch weitere Nationalmannschaftsanwärter: Shkodran Mustafi, bei WM 2014 und EM 2016 dabei, ist nicht zurückgetreten, theoretisch könnte man auch Benedikt Höwedes dazurechnen, der bei Lokomotive Moskau wohl viele Spiele machen wird, und mit Hannovers Waldemar Anton steht schon der nächste Anwärter aus der Generation U21 bereit.
Joachim Löw stellte gegen Frankreich vier Innenverteidiger auf – von denen zwei auf Außen ausweichen mussten: Ginter rechts, Rüdiger links. Man erinnert sich: Vor vier Jahren war Rüdiger der erste Debütant nach der Weltneisterschaft, der Bundestrainer sah in ihm einen möglichen Rechtsverteidiger als Nachfolger von Philipp Lahm. Die Alternative: Matthias Ginter. „Ich ziehe das mit denen durch“, kündigte Löw damals an. Er hielt sich nicht lange daran und experimentierte mit Emre Can – ehe er dann Joshua Kimmich nahm.
Löw hatte eine Rückkehr zum Pragmatismus angekündigt, was die Defensivarbeit betrifft, wie bereits 2010 und 2014 bei den Weltmeisterschaften. Man erinnert sich: 2010 gaben mit erst Holger Badstuber, dann Jerome Boateng den linken Verteidiger, 2014 wartete Deutschland mit zeitweise vier Innenverteidigern auf einer Linie auf (Boateng oder Mustafi, Hummels, Mertesacker, Höwedes), Gestern also hat Joachim Löw an diese glorreichen Zeiten angeschlossen. Getreu der neuen Devise, dass man wieder eine Balance finden muss zwischen offensivem Wagemut und defensiver Stabilität.
Hummels/Boateng sind weiter die erste Wahl, weil sie Spieleröffnung am besten können. Rüdigers Dynamik ist auf der Außenbahn nicht schlecht, und seit er in Italien gespielt hat, rühmt Joachim Löw an ihm, „dass er taktisch hervorragend geschult ist“. Auch Ginter haftet der Ruf an, Allround-Fähigkeiten zu haben. Zwar ist von Verein her auch sein Anspruch ein Platz im Zentrum, doch nach zwei WM-Turnieren als Zuschauer nimmt er, was er kriegen kann. Er bereitete die Top-Chance von Werner vor (65.). Eine zweite htte er selbst (75.).
Eine Ochsenabwehr besticht auch durch Größe. Das ist hilfreich, wenn die anderen ebenfalls kantige Leute vorne drin haben (sogar die Franzosen: Bei ihnen ist es Giroud, der später durch Tempostürmer Dembele ersetzt wurde). Und große Spieler sind wichtig für die Lufthoheit, eine der noch verbliebenen deutschen Tugenden. Mit Standards sucht man die hochgewachsenen Jungs mit Verdrängungskraft – in der Regel sind es Innenverteidiger. 0:0, die vier waren gut. Und Löw hat noch drei. Mindestens.