Tage der Erneuerung

von Redaktion

Beim Kongress in Porec steht der Biathlon-Sport vor wesentlichen Weichenstellungen – der DSV sieht sich dabei in einer Führungsrolle

Porec – Wenn es am Freitag an Kroatiens Mittelmeerküste um die Zukunft einer ganzen Sportart geht, wollen sich die deutschen Funktionäre nicht wegducken. „Meine Kandidatur ist als klares Signal zu verstehen, dass wir uns als führende Biathlon-Nation in der Verantwortung sehen, aktiv an der Aufklärung und an den Weichenstellungen für die Zukunft mitzuarbeiten“, sagte Franz Steinle. In der schwersten Krise des Weltverbandes IBU will der Präsident des Deutschen Skiverbandes als erster Vizepräsident in eine Führungsposition.

Nach dem russischen Staatsdopingskandal und umfassenden Ermittlungen wegen Korruption innerhalb der IBU sind Transparenz und ein energisch geführter Anti-Dopingkampf vonnöten, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. „Ich bin zuversichtlich, dass die IBU eine Kehrtwende vollzieht. Die Leute, die die Strippen ziehen, sind aufgewacht“, sagte der zweimalige Weltmeister Erik Lesser. Der Thüringer ist Mitglied der Athletenkommission und ahnt, wie ernst die Lage ist: „Sie wissen, dass sie um der Beliebtheit des Biathlon-Sports kämpfen. Dass sie Angst haben müssen, die Sponsoren nicht zu verprellen.“

Um das abzuwenden, brauche man „eine transparente Verbandsführung und ein korruptionsfreies Verbandswesen“, sagte Lesser. Der 68 Jahre alte Jurist Steinle will in Porec heute nicht nur in den Vorstand, sondern auch erster Stellvertreter des ebenfalls neu zu wählenden Präsidenten werden. Für das höchste Amt kandidieren die Lettin Baiba Broka und der Schwede Olle Dahlin.

Wer sich bei den Wahlen durchsetzt und welche Mehrheitsverhältnisse es in der neuen Führung gibt, scheint noch völlig offen. Von der Zusammensetzung der Gremien und dem Anteil an frischen Kräften dürfte es abhängen, in welche Richtung die IBU geht und ob der erhoffte Neustart möglich wird. „Wir brauchen jetzt einige schnelle, transparente und nachhaltige Entscheidungen“, sagte Steinle. Vor allem im Kampf gegen Doping-Betrüger, die in den vergangenen Jahren für reichlich Negativschlagzeilen sorgten. „Ich kann nur hoffen und dafür kämpfen, dass man in der näheren Zukunft alles dafür tut, um Doping auszurotten“, sagte Lesser.

Seit Ende 2017 laufen Ermittlungen der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Doping- und Betrugsverdachts sowie Geschenkannahme. Der ehemalige IBU-Präsident Anders Besseberg aus Norwegen ist von den Ermittlungen nach Angaben des Verbandes ebenso betroffen wie russische Sportler und Betreuer. 65 Dopingfälle sollen vertuscht worden sein. Besseberg bestreitet die Vorwürfe. Als Folge der Ermittlungen hatte das Internationale Olympische Komitee alle Zahlungen an die IBU eingestellt. Erst nach der Präsidentenwahl und einer Anti-Doping-Reform soll es wieder Zuwendungen geben.

„Es wäre schön, wenn der Präsident und das neue Exekutivkomitee fair und kompetent die Belange des Verbandes leiten, dass man den Athleten zuhört. Denn die Athleten machen den Sport und nicht die Funktionäre“, sagte der zweimalige Olympiazweite Lesser, der feststellte: „Das Image hat gelitten.“

In Porec fällt am Sonntag eine weitere wichtige Entscheidung. Oberhof bewirbt sich um die WM 2023 und tritt gegen Nove Mesto (Tschechien) an. „Eine WM in Oberhof, vor diesen unglaublichen Fans würde ganz sicher eine Sogwirkung haben, von der der gesamte Sport nachhaltig profitieren würde“, sagte Steinle, der ergänzte, dass Deutschland „eine, wenn nicht die wichtigste tragende Säule“ für die ganze Sportart ist. Auch deswegen hebt er nun den Finger  dpa

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