München – Als Trainer des Deutschland-Achters hat Ralf Holtmeyer (62) zweimal olympisches Gold und acht WM-Titel mit dem Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes gewonnen. Seit einem Jahr ist der Niedersachse als Cheftrainer für alle Bootsklassen zuständig und startet am Sonntag in Plowdiw in seine erste Weltmeisterschaft in dieser Funktion. Holtmeyer sprach über neue Arbeitsfelder und gewohnte Favoriten.
-Wie hat sich Ihre Aufgabe als Cheftrainer konkret verändert?
Ich sehe jetzt mehr die Mannschaft an Land, arbeite vor allem mit den Trainern und nicht mehr so viel mit den Athleten auf dem Wasser. Ich bin auch viel mit sportpolitischen Vorgängen beschäftigt, sehe mich zum Beispiel auf dem Rudertag an der Schnittstelle zu den gewählten Vertretern. Ich habe viel mit Vereinsvertretern und Leitern der Olympia-Stückpunkte zu tun, vor allem jetzt in meinem ersten Jahr.
-Fehlt Ihnen die tägliche Arbeit mit den Athleten?
Ich habe mir schon vorgenommen, vor Olympia wieder mehr ins Trainingsgeschäft einzusteigen. Aber ich musste ja erst einen Überblick bekommen, zum Beispiel schauen, wie die einzelnen Sportler vor Ort trainieren.
-Ist die Aufregung vor Ihrer ersten WM als gesamtverantwortlicher Trainer größer als früher?
Bisher war ich natürlich sehr fokussiert auf den Achter und die anderen Riemen-Klassen, Jetzt verteilt sich die Aufmerksamkeit auf 14 olympische Bootsklassen und 20 insgesamt. Aber andererseits kennt man gewisse Mechanismen, wenn man so lange dabei ist wie ich.
-Der Achter ist nach dem Sieg bei der EM in Glasgow Favorit. Was zeichnet die aktuellen Ruderer im Großboot aus?
Es ist eine sehr harmonische Mannschaft, die wie aus einem Guss rudert. Ich sehe das jetzt mit etwas Abstand und stelle fest, dass alle sehr diszipliniert und konzentriert sind. Sie sind sich einig, wie sie es machen. Aber man muss auch sagen, dass wir in Luzern Australien nur knapp geschlagen haben. Und das Boot aus den USA ist immer erst zur WM richtig in Form.
-Die WM im vergangenen Jahr war mit nur einer Medaille enttäuschend. Mit welchen Zielen starten Sie in Plowdiw?
Die Ergebnisse des letzten Jahres werden ein bisschen überbewertet. Wir hatten einen Umbruch bei den Skullern nach dem Olympia-Gold im Doppelvierer in Rio. Der ist nicht ganz so locker gelungen. Der Skull-Bereich ist dieses Mal wesentlich stärker. Ich will mich gar nicht auf Medaillen festlegen Aber der Männer-Achter ist weiter sehr stabil, dann haben wir im gesamten Skull-Bereich Chancen. Auch bei den Frauen, die hatten in im letzten Jahr eine junge Mannschaft am Start und sind bedeutend stärker.
-Zum ersten Mal seit den Glanzzeiten von Marcel Hacker gibt es in Oliver Zeidler aus Schwaig wieder einen konkurrenzfähigen deutschen Einer-Ruderer. Sie haben ihn sogar als „Sechser im Lotto“ bezeichnet. Trauen Sie ihm schon eine WM-Medaille zu?
Man muss schauen, wie er sich stabilisiert. Er ist ja erst seit zwei Jahren dabei und da ist noch mit Rückschlägen zu rechnen. So etwas wäre kein Beinbruch. Aber es ist auch kein Zufall über die gesamte Saison, dass er Gesamtweltcup-Sieger wurde. Er hat sich auch gegen relative starke nationale Konkurrenz durchgesetzt, wir hatten ja in Luzern sogar zwei Boote im Finale. Das muss man erst einmal schaffen.
-Wie ist zu erklären, dass er nach nur zwei Jahren als Ruderer schon in der Weltspitze ist?
Das geht zum einen nur mit ganz viel Talent. Und zum anderen hilft ihm seine Vergangenheit als Schwimmer. Durch das zehn Jahre lange Training im Wasser bringt er eine gute körperliche Leistungsfähigkeit mit. Das Gefühl, das er im Wasser hatte, hat er ein bisschen aufs Wasser mitgenommen, habe ich so den Eindruck.
-Welche Rolle spielt die fehlende Erfahrung?
Man sieht schon, dass ihm noch die Bootsgewöhnung über die Jahre fehlt – und die Erfahrung mit Wind und Welle. Aber das ist normal oder man muss sogar sagen: Es ist überraschend, dass es schon so gut klappt. Es ist schon etwas Außergewöhnliches, mit zwei Jahren Rudern so erfolgreich zu sein. Aber er hat auch gute Gene.
-Oliver Zeidler kommt aus einer Ruder-Familie. Der Großvater, Hans Joachim Färber, war Olympiasieger 1972, die Tante, Judith Seidler, gehörte dem , Frauen-Achter der DDR- an, der in Seoul Gold gewann. Hilft das tatsächlich?
So etwas kann auch mehr Bürde sein als Chance. Aber er geht – auch das ist sehr überraschend – sehr souverän damit um. Wie er das insgesamt macht, ist beendruckend.
-Bei der EM in Glasgow wurde auf einige chancenreiche Bootsklassen wie den Einer verzichtet. Aus Rücksicht auf die WM?
Das hatte auch finanzielle Gründe. Wir wussten im Winter nicht, wie viel Geld wir zur Verfügung hatten. Da haben wir uns im Skull-Bereich entschieden, voll auf die WM zu setzen. Ehrlicherweise muss ich aber zugegen, dass wir auch nicht wussten, wie medienwirksam die EM sein würde. Sonst hätten wir vielleicht anders entschieden.
-Wie sieht die Planung mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele in Tokio 2022 aus?
Der Kaderkreis für Tokio steht jetzt schon fest, allerdings ist der Weg noch nicht ganz klar. Nächstes Jahr findet bei der WM in Linz die Qualifikation für Olympia statt, da müssen wir in Form sein.
Das Gespräch führte Elisabeth Schlammerl