Mit einem Lächeln nach Hause

von Redaktion

Gündogan wird von den Münchner Fans freundlich aufgenommen

München – Leon Goretzka beeilte sich, als er nach einer guten Stunde ausgewechselt werden sollte. Eigentlich hatte er es nicht eilig, vom Platz zu kommen, auch stand seine Mannschaft kaum unter Zeitdruck – dass er nicht trödelte, lag an dem, der für ihn in die Partie kommen sollte. „Ich wusste ja nicht, wie die Leute reagieren“, erzählte Goretzka. Am Seitenaus machte sich Ilkay Gündogan bereit.

Auch Gündogan war nervös, berichtete er später, als er sich draußen fertiggemacht hatte. „Angst brauchte ich ja nicht zu haben, aber ein bisschen Nervosität war da, weil ich nicht wusste, wie der Großteil der Reaktionen ausfallen würde.“ Die Münchner Fans nahmen den 27-Jährigen freundlich auf, ein paar Pfiffe von Unverbesserlichen gab es, fielen aber kaum ins Gewicht. „Das geht alles wieder in die richtige Richtung“, fand Thomas Müller, „Ilkay hat das auch super gemacht, er hat sich bedankt, sich der Situation gestellt, hat gewunken und sich im Spiel gezeigt – ich denke, da sollte man so langsam Normalität einziehen lassen in dieser Sache.“

Ein paar Pfiffe gebe es immer, sagte Goretzka, er kenne das ja selber. Als er seinen Wechsel von Schalke zum FC Bayern bekannt gegeben hatte, musste er sich auch einiges anhören. Der Vergleich hinkte allerdings: Gündogan wurde nach seinen Fotos mit Recep Tayyip Erdogan vor allem beim Test in Leverkusen gegen Saudi-Arabien nur wenige Tage vor der WM gnadenlos ausgepfiffen. „Heute“, sagte er nach dem Spiel gegen Frankreich, „kann ich mit einem Lächeln nach Hause fahren. Es hat mich gefreut, dass es sehr viel Applaus gab.“

Es ist bemerkenswert, dass überhaupt thematisiert werden muss, wie sich das Volk gegenüber einem deutschen Nationalspieler gibt. Innerhalb der Mannschaft war das Bestreben umso größer, die leidige Sache nun zu den Akten zu legen. Dass Joachim Löw nochmals meinte, er sei von Mesut Özil „menschlich enttäuscht“, bezog sich auch nicht auf die Erdogan-Fotos – sondern auf die Art, wie der langjährige Spielmacher seinen Rücktritt moderierte. Im Gegensatz zu Özil hat Gündogan im Rahmen der Affäre im Grunde sein Möglichstes getan. Er ist Teil des Teams. Dass sein Name auf dem Spielberichtsbogen falsch geschrieben stand („Günogan“), sollte als Bonmot eingehen. Nicht als Boshaftigkeit. ANDREAS WERNER

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