Tennis: US Open

von Redaktion

Naomi Osaka trifft im Finale auf ihr Idol Serena Williams

Von Doris Henkel

New York – Manchmal sagt sie urkomische Dinge, ohne eine Miene zu verziehen, dann wieder fängt sie völlig unvermittelt zu kichern an, und man weiß nie, was als Nächstes kommt. Ziemlich sicher steht hingegen fest, dass die Welt des Tennis noch einiges von Naomi Osaka hören wird, die am Samstag im Finale der US Open gegen ihr Idol um den Titel spielen wird. Und sie hat eine Ahnung, wie es sich anfühlen könnte, im Finale der US Open gegen Serena Williams zu gewinnen, denn das hat sie schon geträumt. Wie das Spiel im Traum ausging? „Das wissen Sie doch schon“, entgegnet sie. „Sie frage doch nur noch so. Ich träume sicher nicht vom Verlieren, und das ist meine Antwort auf Ihre Frage.“ Perfekt.

Wer Serena Williams ist, muss man niemandem mehr erklären. Obwohl sie behauptet, ziemlich genau ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter im Moment nur bei 50 oder 60 Prozent ihres Leistungsvermögens zu sein, ist das offenbar genug, um nach Wimbledon auch bei den US Open im Finale zu landen. Beim Sieg gegen Anastasija Sevastova (6:3, 6:0) im Halbfinale wirkte sie so überlegen, dass man die Lettin irgendwann kaum noch wahrnahm. Williams sagt, sie habe nichts zu verlieren gegen die 16 Jahre jüngere Herausforderin, sie sei ja erst am Anfang ihres Weges als junge Mutter, und im Moment betrachte sie jeden Sieg als Bonus. Das kann man glauben, muss man aber nicht.

Obwohl es sich so anhören mag, Naomi Osaka ist nicht vom Himmel gefallen; die gehört zu jenen jungen Spielerinnen, die Williams dereinst beerben sollen. Und falls es tatsächlich dazu kommt, zöge die Freude darüber vermutlich um die ganze Welt, denn irgendwie ist in Japan geborene, in New York aufgewachsene und in Florida lebende Tochter eines Haitianers und einer Japanerin überall zuhause. Dass sie so heißt wie die Stadt, in der sie zur Welt kam, und vom einem deutschen Coach trainiert wird – Sascha Bajin –, dessen Familie aus Serbien stammt und der in München aufgewachsen ist, macht die Sache noch ein wenig bunter. Er sagt, es mache ihn glücklich, mit ihr arbeiten zu können. „Sie ist wirklich ein ehrliches Mädchen. Wenn sie traurig ist, ist sie traurig, wenn sie glücklich ist, ist sie glücklich. Sie ist echt.“

Vor ungefähr zehn Jahren beschloss Leonard Francois, seine Töchter Naomi und die 18 Monate ältere Schwester Mari sollten nicht für die USA, sondern für Japan Tennis spielen. In den USA, so dachte er, gebe es genügend Talente. Japan hingegen hatte noch nie eine Spielerin, die ein Grand-Slam-Turnier gewann, und Francois hatte von Anfang an Großes im Sinn. Ganz nach dem Beispiel von Richard Williams, der schon vor der Geburt seiner Töchter Venus und Serena beschlossen hatte, die beiden sollten die Welt des Tennis erobern.

Mari spielt auf der Tour keine nennenswerte Rolle, Naomi wird, da sind sich alle Fachleute einig, größere Titel gewinnen. Und sie wird dafür sorgen, diese Erkenntnis ist so übersichtlich angerichtet wie eine Box mit Sushi, dass Tennis in Japan nicht nur bei den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio eine große Rolle spielen wird. Wenn Kei Nishikori daheim in Japan auftaucht, der vor vier Jahren bei den US Open im Finale spielte und diesmal im Halbfinale gegen Novak Djokovic landete (das Spiel fand in der Nacht zum Samstag statt), dann wird er wie ein Popstar belagert. Das Wirtschaftsmagazin Forbes kam zu der Erkenntnis, mit insgesamt 33 Millionen Dollar an Werbeeinnahmen sei der beste japanische Tennisspieler 2017 lediglich von Roger Federer übertroffen worden. Und auch für Osakas Zukunft leuchten goldene Zahlen. Die Japaner wissen noch nicht so recht, wie sich der Humor der jungen Frau in der Sprache ihrer Mutter anhört. Sie spricht zwar schon viel besser japanisch als noch vor zwei Jahren, aber in der Öffentlichkeit hat sie Hemmungen.

Seit einem dreiviertel Jahr sind Osaka und Bajin ein Team. Er hatte mit Serena Williams, Viktoria Asarenka, Sloane Stephens und mit Caroline Wozniacki gearbeitet. Osaka sagt, Bajin habe ihr Geduld im Spiel näher gebracht. Und bei den Kämpfen, die sie ständig mit sich selbst austrage, bringe er ein wenig Frieden; das ist ein schönes Kompliment.

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