Kolumne

Und nirgendwo ein deutscher Mbappé

von Redaktion

Neulich hat das Bayerische Fernsehen Kinder, die beim Kirchheimer SC Fußball spielen, nach ihren Vorbildern gefragt. Cristiano Ronaldo, sagt der eine, Neymar junior ein anderer, Modric wird genannt, James, Messi, Pogba, Thiago und Coutinho. Alles Klassefußballer, bestimmt. Aber warum sagt keiner Neuer, Kimmich, Kroos, Müller? Ist vielleicht ein blöder Zeitpunkt für diese Frage, wer bei der WM an Südkorea scheitert, ist nicht nur enttäuschten Kids kaum als Idol zu vermitteln.

So leicht wollen wir es uns dann aber auch nicht machen, nun alles nur dem traumatischen Fußballsommer 2018 anzulasten. Selbst ein besseres Abschneiden in Russland hätte wohl kaum einen deutschen Nationalspieler zum Weltfußballer des Jahres gemacht, nur Lothar Matthäus hat das mal geschafft und das ist 27 Jahre her. Dem deutschen Fußball fehlt ein Superstar vom Schlage eines Ronaldo, eines Messi, früher Zidane oder Figo. Die ganz großen Individualisten bringen unsere hochgelobten Nachwuchsleistungszentren nicht hervor, technisch und taktisch prima ausgebildete Jungs, die als Mannschaft (meist) zu überzeugen wussten. Aber Typen wie Mbappé, wie Hazard, wie Salah oder Griezmann?

Wobei wir mal die grundsätzliche Frage aufwerfen wollen, ob ein Fußballprofi überhaupt noch als Vorbild taugt, egal, ob er nun genialer Ballartist ist, charismatischer Führungsspieler oder nur bienenfleißiger Teamplayer. Inzwischen leben sie alle in einer anderen, reichlich abgehobenen Parallelwelt, die nur noch wenig zu tun hat mit der Lebenswirklichkeit und dem Fußball von einst, als man auf dem Bolzplatz Uwe Seeler sein wollte, Gerd Müller oder Franz Beckenbauer.

Eher ließen sich echte Vorbilder in anderen Sportarten finden, bei der Leichtathletik vielleicht. Richtig Geld verdienen hier nur die absoluten Topstars, die weitaus meisten der Athleten müssen das Training mit Beruf und Studium vereinbaren, sich irgendwie durchwurschteln, leben von einer kleinen Unterstützung durch Verbände und Sporthilfe, verzichten auf vieles, immer getrieben von der Freude am Sport und dem großen Ziel, einmal auf dem Siegerpodest zu stehen bei Olympia oder einer Weltmeisterschaft. Dann sind sie Helden, das war schon immer so: Griechische Bildhauer nahmen sich Olympiasieger als Modell, wenn sie Götter modellieren sollten. Das waren für sie die vollkommensten menschlichen Gestalten.

Vollkommenheit aber ist vergänglich, der Sport hat seit jeher eine tückische Macht. Als in der Antike der Fünfkämpfer Ainetos, so die Legende, bei der Siegerehrung starb, hieß es, die Freude habe ihn überwältigt. Heute würde man in so einem Fall eine Überdosis an Doping vermuten, das Teufelszeug hat schließlich schon so viele Helden der Neuzeit ins Stolpern gebracht. Dann bleibt statt der Rolle als Vorbild der Jugend höchstens noch ein Aufenthalt im Dschungelcamp, um wenigstens mal wieder in die Schlagzeilen des Boulevards zu kommen. Oder ein heftiger Streit mit dem Nachbarn mit anschließender Einweisung in eine Entzugsklinik.

Vielleicht ist ja generell davon abzuraten, sich heutzutage noch Vorbilder aus dem Sport zu suchen. Die stolzen Fußball-Weltmeister von 2014 (wer eigentlich ist Götze?) sind die Versager von 2018, wer weiß, wie lange sich noch Ronaldo hält, wie lange Messi. Auf Zidanes einst so blütenreiner Weste ist nun dieser Schandfleck vom WM-Finale 2006, Neymar kam gerade bei der WM in Russland keineswegs nur sympathisch rüber. Und Mbappé soll schon an seinem Image als neuer „bad boy“ basteln. Also Vorsicht, Kinder! Vielleicht gibt es ja in anderen gesellschaftlichen Bereichen wesentlich bessere Vorbilder. Muss ja nicht unbedingt aus der Politik sein.

Zwischentöne

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