Mannheim – Gernot Tripcke, der Chef der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), wird das Datum des Olympia-Finales nie vergessen: Es war sein 50. Geburtstag. Der Sport, dem er anhängt und den er in Deutschland seit über zwei Jahrzehnten zu vermarkten versucht, hatte am 25. Februar seinen ganz großen Tag. Und auch wenn das Endspiel um Gold in Pyeongchang gegen die russische Auswahl unglücklichst in der Verlängerung verloren ging – es blieb nur Gutes hängen von diesem Turnier, „Die jährliche WM genießt nicht die große mediale Aufmerksamkeit“, sagt Ligenleiter Tripcke, „das haben viele also nicht mitgekriegt, dass die nicht so gut lief. Die Leute erinnern sich an und sprechen über Olympia.“ Über die Silber-Sensation. Noch immer kommen regelmäßig Ehrungen auf die Beteiligten zu.
Auch die Deutsche Eishockey-Liga erstrahlt zu ihrer neuen Saison im Silber-Glanz. Alle 25 Spieler, die mit Medaillen dekoriert wurden, entstammten der DEL. Das macht sie stolz, sie fühlt sich als der Schatz im Silbersee. „Das Niveau in unserer Liga hat sich drastisch verbessert“, findet Moritz Müller, der einer der Silber-Helden von Südkorea vor und als Kapitän die Kölner Haie anführt, „europaweit wurden wir unterschätzt“. Gernot Tripcke schließt sich an; Bei den Olympischen Spielen fehlten bekanntermaßen die Profis aus den nordamerikanischen Ligen, das Personal der Nationalteams wurde aus europäischen Vereinen bezogen. „Man muss nicht immer auf die KHL in Russland und die schwedische Liga gucken.“
Die Aufmerksamkeit hat sich erhöht. Früher hatten der Nationalmannschaft 500 000 bis 700 000 Leute am TV zugesehen, so Tripcke, „jetzt waren es fünf bis sieben Millionen“. Es hat sich eine Art Grundwissen verbreitet dadurch, dass die Nationalmannschaft in ihren Olympia-Playoffs gegen Schweiz (wurde später Vizeweltmeister), Schweden und Kanada gewann. „Man muss nichts mehr erklären“, freut sich Gernot Tripcke. Und Moritz Müller ist bereit für eine Zeit, die dann auch Verpflichtungen mit sich bringt: „Das wollten wir immer, und davor haben wir keinen Schiss.“
Die DEL hat neue Sponsoren bekommen, sie ist gefragt für Bündnisse, hat nun etwa eine Charity-Partnerschaft mit dem World Wildlife Fund (WWF), der „berühmtesten NGO der Welt“ (Tripcke) abgeschlossen – solch eine Verbindung ist gut fürs Image der Liga. Und auch der DEB, der Verband, hat Positives zu vermelden: Zehn bis 15 Prozent Zuwachs bei den Neuanmeldungen.
Das soll der Anstoß sein, was für die Zukunft zu bewirken. Jedoch, das geht nicht von hier auf jetzt. „Es gibt Grenzen von den Ressourcen Eisflächen, Trainer und Ausrüstung her“, sagt Tripcke.
Christian Winkler, Manager des EHC München, war am Wochenende mit seinem Verein international unterwegs, im finnischen Turku hatte er „die Ehre, einen Nachmittag mit Saku Koivu zu verbringen“. Koivu, 43, über 1200 Spiele in der NHL, fragte, wie viele Eisflächen es denn in deutschen Städten so gebe. „Vielleicht fünf“, sagte Winkler und musste im Gegenzug von Koivu eine weitaus höhere Zahl für Finnland vernehmen. Dort ist Eishockey, was bei uns der Fußball ist. „Wir haben 18 000 Aktive“, weiß Tripcke, „aber mehr als 6000 Fans pro DEL-Spiel“. Daraus folgt: „Wir sind ein Zuschauersport.“
146 neue Spieler haben die 14 Clubs der DEL für die Saison 2018/19 verpflichtet. Doch nur sieben von ihnen kommen aus dem deutschen Nachwuchs. „Wir in Köln haben mit die beste Jugendarbeit, aber der letzte Spieler, der es vom Nachwuchs zu den Profis geschafft hat, war Marcel Ohmann, das war 2010.“ Das Jahr, in dem die – heute nicht mehr existierenden – Hannover Scorpions Deutscher Meister wurden. Das Besondere daran: Es war das einzige Mal seit Gründung der DEL im Jahr 1994, dass ein deutscher Trainer den Titel holte: Hans Zach.
Moritz Müller gilt, seit er die dank schneller Einbürgerungen nordamerikanischer Spieler starken Iserlohn Roosters als „Kanada 1c“ brandmarkte, als Kritiker der DEL-Strukturen, in denen die Sportdirektoren und Trainer aus Übersee dominieren. Er möchte den eigenen Verein ermutigen, junge Spielern zu fördern. Es hatte sicher mit Olympia zu tun, „dass in der Vorbereitung viele Junghaie bei uns dabei waren“. Sein Eindruck: „Die wachsen mit den Aufgaben. Und wenn ein 17-Jähriger ein guter Spielmacher ist, sollte er auch in der DEL auf dieser Position spielen.“
Verbreitern will das deutsche Eishockey seine Basis nicht nur im Hinblick auf die im Konzept „Powerplay26“ verankerte Ambition der Nationalmannschaft, öfter um Medaillen zu spielen, sondern auch, um die DEL2 zu stärken. Die fixierte am Mittwoch die mit der DEL getroffene Handshake-Vereinbarung über Auf- und Abstieg ab 2021 schriftlich. Ein größerer Spielermarkt an der Nahtstelle könnte das zu erwartende Wettrüsten in Grenzen halten.
2018/19 muss noch kein DEL-Verein Abstiegssorgen haben. Es gibt nur den positiven Antrieb: Playoffs erreichen und – für die Elite – den Titel gewinnen. Moritz Müller spürt den Silber-Effekt auch, was seine Ambitionen mit dem Verein betrifft: „Erfolg fixt an. Ich möchte, bevor ich aufhöre, mit den Kölner Haien Deutscher Meister werden.“