Dramen können viele Gesichter haben, zum Beispiel das von Michal Krmencik. 95 Minuten durfte der Stürmer von Viktoria Pilsen am Mittwoch hoffen, seinem Team einen Platz auf Augenhöhe mit Gruppengegner Real Madrid verschafft zu haben. Dann gerannen seine zwei Tore gegen ZSKA Moskau zur Fußnote. Die Russen trafen weit in der Nachspielzeit zum 2:2-Ausgleich. Jenseits von Pilsen redet nun kein Mensch mehr von Krmencik.
Oder Olympique Lyon. Als französischer Spitzenverein wird man heute nur noch wahrgenommen, wenn man Paris St. Germain heißt, die schillerndsten und teuersten Spieler unter Vertrag hat und das Financial Fairplay mit einer Dreistigkeit umdribbelt, die sogar der UEFA Respekt einflößt. Olympique gewann am Mittwoch bei Manchester City, einem der vermeintlichen Überteams. Es hätte eine ganz große Geschichte sein können. Wurde es aber nicht.
Die Gruppenphase der Champions League wird auch in diesem Herbst mit bunten Bannern, rasant geschnittenen Bildern und einer monumentalen Hymne dekoriert, damit sie als bedeutendes Ereignis rüberkommt. In Wahrheit aber bleibt sie eine ziemlich dröge Angelegenheit. Wenn nicht gerade zwei Schwergewichte wie Liverpool und Paris aufeinanderprallen, ist sie auf fast schon lästige Weise vorhersehbar. Umso dankbarer ist man, wenn einem Team ein Coup gelingt wie Lyon.
Aber ach – so richtig wahrgenommen wurde Olympiques Sieg dann doch nicht. Viel zu aufregend waren die Nachrichten aus Valencia, wo zwar das nackte Ergebnis – 0:2 gegen Juventus – einen völlig normalen Champions League-Vorrundenabend zu dokumentieren schien. Hinter den nackten Zahlen aber verbarg sich das ganz große Drama.
Dass Cristiano Ronaldo, dem eitelsten, aber auch bestfrisierten Spieler des Planeten, ausgerechnet ein Griff in die Haare des Gegners zum Verhängnis wurde, ist eine herrliche Pointe. In Kombination mit den Nebengeräuschen – der bizarren Hasstirade der Schwester oder der schäumenden Kritik in Italiens Presse – hat die Königsklasse schon am ersten Spieltag einen Unterhaltungsgrad erreicht, für den die besten Seifenopern einen langen Anlauf brauchen.
Steigern lässt sich das Drama so schnell nicht mehr. Es sei denn, Real Madrids königliches Ensemble mit seinem Faible für Inszenierungen lässt sich etwas einfallen. In ein paar Wochen wäre die Gelegenheit günstig. Zu Besuch kommt dann Viktoria Pilsen, mit dem sagenhaften Michal Krmencik.