Roter Fleck auf weißer Weste

von Redaktion

Ronaldos erster Platzverweis im 154. Champions League-Spiel schlägt enorme Wellen – besonders bei seiner Schwester

von jens marx und annette reuther

Valencia – Cristiano Ronaldos Schwester tobte nach dem tränenumflorten Rot für ihren weltberühmten Bruder, Italiens Presse wütete gegen den deutschen Schiedsrichter. „Eine echte Beleidigung für den Fußball“, giftete „Tuttosport“ in Richtung von Referee Felix Brych und dessen Torrichter Marco Fritz. Verständnis für den ersten Platzverweis gegen den Superstar in dessen 154. Champions-League-Spiel – und dem ersten für seinen neuen Club Juventus Turin – gab es zumindest in Italien nirgendwo.

Ronaldo, der am vergangenen Sonntag beim 2:1 gegen Sassuolo mit einem Doppelpack seine ersten Tore in der Serie A seit seinem Wechsel von Real Madrid erzielt hatte, äußerte sich zunächst nicht. Er konnte es einfach nicht fassen, saß kopfschüttelnd auf dem Rasen des FC Valencia, kämpfte mit den Tränen und musste sich auch noch von den spanischen Fans verhöhnen lassen.

Diese 29. Minute wird in der Superlativ-Karriere des CR7 in der Königsklasse einen unrühmlichen Platz einnehmen. Er hatte sich dazu hinreißen lassen, Abwehrspieler Jeison Murillo kurz in die Haare zu greifen, nachdem dieser nach einem Zweikampf zu Boden gegangen war. Valencias Torwart Neto gestikulierte wild, ein Rudel bildete sich um Ronaldo. Brych beriet sich mit Fritz – und zeigte Rot. Trotz über einstündiger Unterzahl gewann Juve die Partie mit 2:0.

Am drastischsten reagierte Ronaldos Schwester. „Schande über den Fußball – Gerechtigkeit wird kommen“, schrieb Katia Aveiro bei Instagram. „Sie wollen meinen Bruder zerstören, aber Gott schläft nie“, meinte sie. „Cristiano geht weinend vor Machtlosigkeit“, hatte die spanische Sportzeitung „AS“ schon am Abend geschrieben.

Während vor allem die italienische Presse sich dem deutschen Schiedsrichter-Gespann widmete und sogar dessen internationale Ablösung forderte, rückte Juve-Trainer Massimiliano Allegri lieber die Diskussion um die Einführung des Videobeweises in der Königsklasse in den Vordergrund. „Ich kann nur sagen, dass der Videoassistent dem Schiedsrichter hätte helfen können, die richtige Entscheidung zu treffen“, sagte Allegri.

Sollte er nun für zwei Spiele gesperrt werden, würde Ronaldo Juve auch am 23. Oktober auswärts gegen Manchester United fehlen. Jenen Verein, in dem der mittlerweile 33 Jahre alte fünfmalige Weltfußballer zum Superstar heranreifte und 2008 erstmals die Königsklasse gewann. Die Entscheidung über das Strafmaß fällt am Donnerstag kommender Woche, wie die UEFA mitteilte. Fehlen wird Ronaldo Juve auf jeden Fall beim Heimspiel gegen Young Boys Bern am 2. Oktober.

Nie zuvor sah Ronaldo, der unzählige Rekorde in der Meisterklasse hält, in der Champions League die Rote Karte. Das französische Fußball-Magazin „France Football“ zählte per Klickstrecke gestern aber schon mal die bisherigen zehn Platzverweise Ronaldos auf – davon waren vier jeweils Gelb-Rote Karten.

Brych war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Ohnehin gilt laut den Statuten der UEFA: „Die Offiziellen dürfen keine Interviews geben oder öffentliche Erklärungen über während UEFA-Spielen getroffene Entscheidungen abgeben.“ Für den 43-jährigen Münchner war es der erste große internationale Einsatz seit der enttäuschend verlaufenen WM. Er hatte in Russland nur ein Spiel pfeifen dürfen.

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