Innsbruck – Als Tony Martin im Ziel seine Zeit aufleuchten sah, senkte er enttäuscht den Kopf. „Es war am Anstieg brutal, ich hatte einfach keinen super Tag“, sagte Martin kurz nach Rennende ausgepumpt im ZDF. Der 33-Jährige hatte alles gegeben, konnte aber seine Schwächen am Berg nicht kompensieren und musste im WM-Einzelzeitfahren von Innsbruck eine neuerliche Niederlage hinnehmen.
In einem harten Rennen über anspruchsvolle 52,1 Kilometer fuhr der viermalige Weltmeister 1:05:27 Stunden und verfehlte als Siebter die erhoffte Bronzemedaille um mehr als eine Minute. „Das war schon enttäuschend. Ich musste mich eher über den Berg retten, als dort Druck zu machen. Im Flachen lief es ordentlich, aber nicht herausragend“, sagte Martin.
Mehr, als ihm lieb war, spielte wohl doch der bei der Tour de France erlittene Wirbelbruch eine Rolle. „Ich dachte, dass ich noch frischer bin, aber man steckt eben nicht drin. Vielleicht war es doch eine Hauruck-Aktion, der Körper braucht halt auch Energie, um zu heilen“, sagte Martin. Er habe es sich „positiv“ reden wollen.
Der für Martin aufgrund der Topographie der Strecke ohnehin unerreichbare Titel ging erstmals an den überragenden Australier Rohan Dennis (1:03:02), der die Konkurrenz samt Vorjahressieger Tom Dumoulin (Niederlande) regelrecht deklassierte. Dennis hatte im Vorfeld der WM beide Einzelzeitfahrern bei der Vuelta in Spanien für sich entschieden, Martin lag im Ziel fast zweieinhalb Minuten hinter ihm. „Es ist unglaublich“, sagte Dennis, „ich habe früh an den Sieg geglaubt, aber sicher kann man sich nie sein.“
Dumoulin (1:04:23) holte hauchdünn vor dem Belgier Victor Campenaerts (1:04:24) zumindest Silber. Teamweltmeister Maximilian Schachmann (1:06:42) zeigte einen mutigen Auftritt und belegte einen ansprechenden elften Rang. „Ich bin nicht unzufrieden. Es war ein gutes Rennen, ich habe keine Fehler gemacht“, sagte Schachmann, „schade, dass es nicht für die Top 10 gereicht hat.“
Zur Streckenhälfte waren Martins Chancen auf Bronze noch intakt. Doch im fünf Kilometer langen Anstieg zur Gemeinde Gnadenwald passierte das Erwartete, der Weltmeister der Jahre 2011 bis 2013 und 2016 verlor auf die schnelleren Kletterer unter den Zeitfahrern kontinuierlich. Auch wenn er sich danach wieder fing, diese Hypothek war viel zu groß.
Dass es für Martin bestenfalls um Bronze gehen würde, hatte sich rasch abgezeichnet. Die beiden Favoriten Dennis und Dumoulin hatten sich bereits am ersten Zeitmesspunkt abgesetzt, Martin rangierte direkt dahinter. Sein letzter WM-Titel vor zwei Jahren in Katar bleibt damit vorerst auch der letzte Sieg in einem wichtigen internationalen Zeitfahren.
Nach seinem deprimierenden Rennen vor einem Jahr in Norwegen (Rang neun) hatte Martin sich akribisch vorbereitet, war bereits eine Woche zuvor angereist und hatte den schwierigen Kurs insgesamt viermal intensiv erkundet. Nichts wollte Martin dem Zufall überlassen, auch die heftige Verletzung bei der Tour ließ er nicht als Alibi zu.
Schachmann stand nach seiner tollen Saison mit Selbstbewusstsein am Start. Der Gnadenwald-Anstieg, der Martin gar nicht lag, war für ihn ein Vorteil. Er legte vor allem im zweiten Streckenabschnitt zu und absolvierte eine gute WM-Zeitfahrpremiere bei den Profis. Am Sonntag will er auch im abschließenden Straßenrennen nochmals eine Kostprobe seines Könnens abgeben.