München – Eigentlich ist es kein gutes Zeichen, wenn der Trainer den Überblick verliert. Aber Manuel Baum vom FC Augsburg war ja nicht der einzige, dem dies am Dienstagabend kurz vor Ende des Bundesliga-Spiels in der Allianz Arena passiert ist. Er fand die Orientierung schnell wieder, schneller jedenfalls als der FC Bayern, der noch länger rätselte, wie dieses Tor passieren konnte, dieser Ausgleich zum 1:1. Der Augsburger Trainer aber hat „einen roten Kopf in der Traube gesehen“ – und zumindest gewusst, wer der Torschütze war: Felix Götze.
„Unglaublich, welche Geschichten der Fußball schreibt“, sagte Baum an diesem Abend ein paar Mal, nicht wegen des Punktgewinns der Schwaben, sondern weil ausgerechnet ein Götze den Bayern-Sieg vereitelt hat.
In den vergangenen Jahren war Felix Götze vor allem der Bruder von Mario gewesen, dem Final-Torschützen der WM 2014, dem hochtalentierten Fußballer, der im Moment so viele Probleme mit sich herumschleppt.
Das ist nicht einfach, vor allem, wenn man den gleichen Beruf gewählt hat, also Fußball-Profi, und obendrein ein sehr ordentlicher Spieler ist, aber eben vielleicht nicht die ganz große Begabung des Bruders hat. Doch jetzt hat er es selbst ins Rampenlicht geschafft. Götze war nach einer guten Stunde eingewechselt worden, erledigte seine Aufgabe im defensivem Mittelfeld solide, aber unauffällig – bis zur 86. Minute. Da stand er perfekt, als Manuel Neuer, dem Unfehlbaren, ein Fehler unterlief und den Ball fallen ließ nach einer Ecke. Götze drückte im Gewühl den Ball einfach über die Linie.
Später stand der 20-Jährige in den Stadion-Katakomben, die er ja ganz gut kennt, weil er die vergangenen vier Jahre beim FC Bayern gespielt hat, wenngleich zunächst im Nachwuchs und später in der zweiten Mannschaft des Rekordmeisters. Nur ein paarmal gehörte er dem Profikader an. Er wusste eine Stunde nach Spielende immer noch nicht, „wohin mit seinen Gefühlen“, wie Baum vermutete. Jedenfalls trug Götze sie nicht nach außen.
Das Jubeln nach dem Tor, seinem ersten als Profi, verkniff er sich. „Normalerweise will man da ausrasten“, gab er zu. Aber nicht unbedingt gegen seinen Ex-Club, denn „durch den FC Bayern bin ich erst soweit gekommen“. Thomas Müller fand, Götze habe sogar „ein bisschen entschuldigend geschaut, aber das muss er nicht“. Schließlich haben es sich die Bayern auch selbst zuzuschreiben, dass es nichts wurde mit dem achten Sieg m achten Pflichtspiel.
Dass er den Bayern den Startrekord vermasselt hat, schien Götze nicht groß zu kümmern. Er hatte ja auch anderes zu tun an diesem Abend. Die Geschichte mit dem roten Kopf aufklären zum Beispiel. Das passiere ihm immer bei körperlicher Anstrengung, erzählte er. „Dafür habe ich früher auch ein paar Sprüche bekommen: Ampel, Tomate, viele solche Sachen. Ich nehme den roten Kopf aber gerne, wenn ich ein Tor schieße.“
Und ganz ohne den Bruder ging es auch dieses Mal nicht. „Der erste Anruf geht an ihn. Ich wäre nicht hier ohne ihn – ohne seine Tipps. Das Tor ist für ihn“, sagte Felix Götze. Und natürlich für den FC Augsburg.
elisabeth schlammerl