Der lange Atem der Claudia Pechstein, 46, ist weltberühmt. Als Sportlerin hat er ihr unter anderem fünf olympische Goldmedaillen eingebracht. Als unerschütterliche Klageführerin hat sich die Berlinerin auf einen steinigen Rechtsweg begeben, auf dem sie nun schon neun Jahre lang versucht, ihre Kontrahenten in die Knie zu zwingen: Den Eisschnelllauf-Weltverband ISU, die Dopingfahnder, den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Fürwahr: Eine erstaunliche Ausdauerleistung. Zumal Pechstein in ihren einsamen Kampf zwar viel Geld und Energie investiert hat, der juristische Durchbruch aber immer noch auf sich warten lässt.
Die Sache ist ja nicht ganz eindeutig. Der 2009 festgestellte Dopingbefund geriet in die Mühlen der wissenschaftlichen Experten. Und da lautet eine Interpretation, die positiven Werte könnten von einer natürlichen Blutanomalie stammen. Die Fachleute sind sich bis heute uneins, und es ist tatsächlich nicht auszuschließen, dass Pechstein Unrecht geschehen ist. Nur hat das die Berlinerin bislang eben noch nicht klar beweisen können. Ein – womöglich – tragischer Fall.
Das alles aber konnte Claudia Pechstein nicht davon abhalten, nun sogar vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu ziehen. Dorthin also, wo zum Beispiel über die Inhaftierung kritischer Journalisten verhandelt wird, über unrechtmäßige Polizeigewalt oder Abschiebung von Asylanten. Nun also der Fall Pechstein. Wobei sich die Langstreckenspezialistin ein besonders delikates Ziel für ihre Klage ausgesucht hat: Den Internationalen Sportgerichtshof CAS – die höchste Entscheidungsinstanz, wenn es um Rechtssprechung in der Welt des Sports geht. Pechstein, die einst beim CAS abgeblitzt ist, wirft der Institution vor, weder unabhängig noch unparteiisch zu sein.
Ein im Kern unerhörter Vorwurf. Denn schließlich steht und fällt das Sportrecht mit dem CAS und dessen Glaubwürdigkeit. Pechsteins Vorstoß könnte also den gesamten Sport erschüttern, die Folgen wären unabsehbar.
Wahrscheinlicher ist aber, dass die Eisläuferin auch mit ihrer spektakulären Menschenrechtsklage scheitert. Ob das nach fast einem Jahrzehnt das Ende dieser bizarren Geschichte wäre? Schwer vorstellbar. Denn Claudia Pechsteins tiefe Verbitterung lässt kein Zurückweichen zu. Sie würde weiterkämpfen. Immer weiter.
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