„Ich bin viel gelassener geworden“

von Redaktion

Philipp Kohlschreiber über seinen Hochzeitstag, Alexander Zverev und die Vorzüge des Alters

München – Philipp Kohlschreiber sagt für das Spiel des deutschen Teams im Februar beim reformierten Davis Cup zu. Im Interview übt der Tennisroutinier Kritik an der Reform und macht Verbesserungsvorschläge. Der Profi der Oberhachinger TennisBase erklärt zudem seine Erfolgsformel für Siege wie jüngst bei den US Open gegen Alexander Zverev, den er als „Jahrhundert-Talent“ bezeichnet. Kohlschreiber spricht über seinen Gang vom Traualtar direkt auf den Centercourt und wie ihm im Herbst seiner Karriere an seinem 35. Geburtstag eine Bodenständigkeit zu einem besseren Spiel verhilft.

Herr Kohlschreiber, wie fühlen sich Siege im Tennis als frisch verheirateter Mann an?

Nicht anders als davor. Ich bin mit Lena schon 16 Jahre zusammen. In Kitzbühel und in Cincinnati habe ich frisch verheiratet nicht so gut gespielt, habe dann später aber bei den US Open den Turnaround geschafft. Deswegen kann man es nicht zählen lassen, dass man verheiratet besser oder schlechter spielt.

Die Hochzeit in Kitzbühel am Vormittag Ihres Erstrundenspieles beim ATP-Turnier in Kitzbühel war schon etwas Besonderes. Wie denken Sie über diesen sehr speziellen Hochzeitstag mit ein bisschen Abstand?

Das war damals ja so nicht geplant. Aber die Tage vorher ging es mir noch so schlecht (er war von einem grippalen Virus geschwächt/Red.), dass nicht an Tennisspielen zu denken war. Es war geplant, einen Tag vorher zu spielen und dann mit ein bisschen Ruhe danach zu heiraten. Es war ein schöner Moment, der mir dann im Nachhinein bewusst wurde. Ein spezieller Moment, den nicht jeder hat.

Wann haben Sie denn Zeit für Flitterwochen?

Wir werden wahrscheinlich am Ende des Jahres in den Urlaub fahren und es uns gut gehen lassen. Wir wissen noch nicht genau, wohin. Vielleicht geht es wieder wie in den letzten Jahren in die Karibik.

Erst Rückkehr in die TennisBase in Oberhaching, dann die Hochzeit mit der langjährigen Freundin in der Heimat. Sind das traditionelle Werte, die Sie mehr denn je schätzen?

Definitiv. Ich würde sagen, ich nehme mir mehr Zeit, Dinge zu genießen. Oder ich kann mir aber auch mal die Freizeit gönnen wie in diesem Jahr, wo ich nicht zu den Turnieren nach Asien gereist bin. Die Jahre zuvor habe ich immer den Druck gehabt, wegen der Rangliste dorthin zu fahren. Ich bin jetzt an einem Punkt angelangt, wo ich anderen oder auch mir selbst nicht mehr unbedingt beweisen muss, dass ich in die Top Ten muss. Zum Thema ‚Mehr genießen’ gehört eben auch, Kraft zu tanken.

Sind Sie in Ihrem Alter bodenständiger geworden?

Ja, das kann man so sagen. Es ist schön zu wissen, dass man einen tollen Job hat und man ihn mit vielen schönen Dingen verbinden kann. Früher war nur der Tennisjob ganz vorne und alles andere im Hintergrund gestanden. Jetzt entwickelt sich auch ein Familienleben. Man wird sesshafter und will ein bisschen mehr daheim sein.

Hilft dieses entwickelte Heimatgefühl Ihrem Spiel?

Ich glaube schon. Ich bin viel gelassener geworden. Harte Matches wie im Davis Cup in diesem Jahr habe ich körperlich und mental erstaunlich gut weggesteckt. Ich war zwar down für zwei Tage, aber früher hätte mich so etwas eine Woche lang beschäftigt. Heute genieße ich es, dass ich vor 10 000 Leuten für Deutschland spielen darf. Ich werde bald 35 und wer weiß, wie viele solcher geilen Momente man im Tennisleben noch hat.

Stichwort Davis Cup. Wie finden Sie die Reform?

Eine Reform war nötig gewesen. Aber leider wurden dabei sehr wenige Spieler einbezogen.

Wie genau lautet Ihre Kritik und was sind Ihre Vorschläge für Verbesserungen?

Die erste Runde zu Jahresbeginn auszutragen, halte ich wegen dem Turnier-Terminplan für sehr kritisch. Vielleicht hätte man den Davis Cup nicht jedes Jahr stattfinden lassen müssen. So wie es andere Sportarten ähnlich einer alle zwei oder vier Jahre stattfindenden WM oder EM tun, hätte man den Davis Cup mehr rar machen sollen. Und nicht jedes Jahr austragen, wie es aktuell der Fall ist. Bei einem Spiel mit Best-of-Five sehe ich die größten Emotionen, die es bei einem Tennismatch gibt. Man hätte jetzt nicht gleich zwingend in der Vorrunde mit fünf Sätzen spielen müssen, aber dann in den wichtigen Runden danach meiner Meinung nach schon. Es gab bei der Reform auf jeden Fall zu wenig Miteinander.

Wie sieht es mit Ihrer Davis Cup-Teilnahme am 1./2. Februar aus?

Also, ich bin auf jeden Fall dabei. Ich werde jetzt Stockholm, Wien und Paris spielen. Danach werde ich mit Dominic Thiem wieder ein paar Tage auf Teneriffa trainieren. Danach möchte ich fit und gestärkt zurückkommen.

Wann gewinnen Sie mal nach Siegen wie gegen Alexander Zverev bei den US Open direkt im Anschluss weitere Matches gegen Top-10-Spieler?

Das ist eine sehr hohe Hürde. So ein Match wie gegen Sascha (Alexander Zverev/Red.), kostet mich extrem viel Kraft. Natürlich würde ich es mir wünschen. Dafür trainiere ich hart. Aber die Top 10 sind alles sehr starke Tennisspieler.

Wie lautet ihre Erfolgsformel für solche Siege wie gegen Zverev?

Sascha gehört zu den absoluten Top-Spielern. Aber an jenem Tag hat meine Taktik besser funktioniert und er hat nicht seinen besten Tag erwischt. Auf das muss man immer hoffen, wenn man auf so gute Spieler trifft. Bei den US Open hat es eine Runde danach mein Gegner Nishikori eben nicht zugelassen, dass ich ihn schlage.

Wie schätzen Sie Zverev ein?

Was er schon in seinen jungen Jahren erreicht und gewonnen hat und wie er sich mit 20 Jahren schon in den Top fünf etabliert hat, ist beeindruckend. Da gibt es keinen Vergleich mit mir. Ich habe eine Karriere gehabt, auf die ich stolz sein kann. Ich bin viele Jahre in der Weltrangliste oben gestanden. Klar hätte ich gerne mal an den Top Ten geschnuppert. Aber man muss sagen, dass es nicht so war. Ich habe immer alles gegeben. Sascha ist vielleicht ein Jahrhundert-Talent. Ihm stehen noch alle Türen offen. Er ist jung und schon so weit, wie Roger Federer es einst war. Vielleicht kommt im nächsten Jahr der Schritt, wo er noch einmal einen größeren Durchbruch schafft.

Interview: Robert M. Frank

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