Eine Stimmung war das. Kennen wir sonst ja nur vom Hamburger SV. Wo das Abstiegsgespenst eine Art Vereinsehrenmitglied ist (okay, es nimmt gerade eine Saison Urlaub) und wo man dem sicheren Trainerwechsel entgegengeiert. Plötzlich war das auch die Lage rund um die deutsche Nationalmannschaft. Die Nations League, an die vor ein paar Monaten keiner dachte (und niemand genau wusste, was sie sein soll) ist ein Format mit konkreter Abstiegsmöglichkeit, und was den Trainer anging, Joachim Löw, wurde er, als er sich gestern im Stade de France zur Arbeit begab, abfotografiert, weil es ein Zeitdokument sein könnte: Sein letztes Spiel als Bundes-Jogi, seine letzte Kleiderwahl, seine letzten Ein- und Auswechslungen und am Ende des Abends womöglich seine letzte Pressekonferenz, sein letzter Satz mit „Scho au“ und sein letzter Espresso.
Doch Joachim Löw, das ist trotz des 1:2 das Fazit des Abends von Paris, wird der Fußball-Nation erhalten bleiben. Klar war eh, dass der Bundestrainer selbst im Fall einer spielerischen Hinrichtung nicht über Nacht geschasst würde. So emotional und direkt geht das nicht in diesem Business, in dem einer noch eine Vertragslaufzeit von vier Jahren hat und eine Entlassung teuer wäre, selbst wenn es die Klausel gibt, dass man sich auch 2020 trennen kann. Da sprechen erst mal die Anwälte.
Immerhin hat Joachim Löw in Paris gezeigt, dass er als Trainer noch funktioniert. Er ist, wie viele das von ihm gefordert haben, ins Risiko gegangen, er hat die vermutlich schnellste Nationalmannschaft aller Zeiten aufgeboten, Leroy Sané, Serge Gnabry, Timo Werner und Nico Schulz oder Joshua Kimmich würden auch eine gute 4 x 100-Meter-Staffel abgeben. Beim ersten Spiel gegen Frankreich, dem 0:0 in München, hatte Löw den Gegner mit einer robusten Defensiv-Variante überrascht. Die Niederlage jetzt war auch Schiri-Pech geschuldet.
Jogi Löw wird unter Beobachtung bleiben. Man traut ihm nicht mehr vollends, weil es nach den guten Ergebnissen und Ansätzen gegen Frankreich und Peru eben auch den Zusammenbruch gegen die Niederlande gegeben hatte und man den Eindruck hat, dass in Löw und den Spielern noch zu viel WM-Trauma steckt.
Im November wird man Löw und seine Truppe wiedersehen. Im Abstiegskampf besteht noch Hoffnung. Gegen die Niederlande ist aber halt das nächste Schicksalsspiel.
Guenter.Klein@ovb.net