Daniel Bierofka, wie fällt ihre Bilanz als Trainer des 1860 zur Länderspielpause aus?
Wir sind ganz gut angekommen in der Liga, haben kein Spiel mit zwei Toren Unterschied verloren. Daran sieht man, dass wir jedesmal mindestens ebenbürtig waren. Schade ist natürlich, dass wir einige Punkte auf der Strecke gelassen haben, die uns jetzt wehtun. Wenn du die guten Spiele nicht gewinnst, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass du die schlechten gewinnst, noch geringer.
Wie zum Beispiel in Meppen . . .
Das war in jeder Hinsicht unsere schlechteste Saisonleistung. Kein Mut, kein Durchsetzungsvermögen vorne und hinten – wir waren überhaupt nicht auf dem Platz in diesem Spiel. Gegen Würzburg war’s noch in Ordnung, da haben wir es verpasst, den Deckel draufzumachen.
Nicht zum ersten Mal.
Ja, wenn ich mir unser Torverhältnis anschaue, plus fünf – das ist besser als das von Uerdingen. Aber die haben neun Punkte mehr! Erfahrung, Cleverness, da sind uns einige Teams in der Liga voraus. Ich muss unsere Mannschaft dahin kriegen, dass wir Spiele entscheiden.
Gegen das Wort Krise sind Sie allergisch. Wie soll man die aktuelle Phase nennen?
Klar kann man Krise sagen, aber von den letzten sieben Spielen haben wir zwei verloren, das muss man auch sehen. Dass so eine Phase irgendwann kommt, ist völlig normal. Wir spielen teilweise mit sechs Spielern, die das erste Jahr in der Dritten Liga sind, das darf man auch nicht unterschätzen. In Meppen hatte unsere Viererkette einen Altersschnitt von 22 Jahren, aber das soll keine Ausrede sein. Ich bin dafür zuständig, dass ich die Mannschaft entwickle – und da heißt es arbeiten, arbeiten, arbeiten.
Sie machen den Lehrgang zum Fußballlehrer. Inwieweit ist das bei Ihrer Doppelbelastung Hennef/Giesing überhaupt möglich?
Es geht nur im Team, und da bin ich wirklich froh und dankbar, dass ich so gute Leute um mich herum habe. Trotzdem wär’s natürlich einfacher, wenn ich permanent hier wäre – für die Mannschaft und für mich persönlich. Der direkte Kontakt ist nicht zu 100 Prozent zu ersetzen, aber wir machen das Beste daraus.
Sie bezeichneten es einmal als Ihre größte Herausforderung, der Mannschaft den Druck zu nehmen. Wie funktioniert das?
Es ist ein Lernprozess. Wir sprechen die Fehler intern klar an und ziehen auch Konsequenzen, aber ich werde nie zu hart ins Gericht mit der Mannschaft gehen, solange ich sehe, dass sie alles gibt. Was wir reinkriegen müssen, ist die bedingungslose Konsequenz bis zum Schlusspfiff. Da muss man sich die Besten zum Vorbild nehmen: Weltklassemannschaften wie Atletico Madrid. Die verteidigen Spiele ohne Nervosität zu Ende. Sowas beeindruckt mich.
Wie geht’s Ihnen persönlich mit dem Druck?
Dass es bei 1860 anders zugeht als anderswo, ist normal. Nicht jeder Verein hat regelmäßig 15 000 Zuschauer bei seinen Heimspielen. Jedes Privileg hat auch eine Kehrseite. Nach 15 Jahren Sechzig bin ich weitgehend druckresistent.
Hilft Ihnen der Lehrgang zum Fußballlehrer in Ihrer Arbeit mit 1860?
Natürlich kann man sich da was rausziehen, aber ich will das jetzt nicht überbewerten, ich wusste auch vorher schon ein paar Sachen (lächelt). Die größten Blöcke waren bisher Physiologie, Stichwort Trainingssteuerung, und Psychologie, Schwerpunkt Menschenführung. Die Tools zu haben ist gut, aber man darf nicht sein Gefühl für die Mannschaft verlieren, das ist das Wichtigste für mich.
Wie sieht es in Sachen Wintertransfers aus? Haben Sie schon konkrete Verstärkungen im Auge?
Den Markt beobachten wir permanent, aber Stand jetzt sind wir finanziell nicht in der Lage nachzulegen, da müsste sich im Kader was tun. Und bisher ist noch kein Spieler mit einem Wechselwunsch zu uns gekommen.
Wie zufrieden sind Sie mit Romuald Lacazette?
Laca hat in Buchbach sehr ordentlich gespielt, er war relativ präsent. Man darf nicht vergessen, dass er ein Jahr praktisch nicht gespielt hat. Er ist ein Fighter. Ich weiß, was der Junge im Stande ist zu leisten, da bringen wir ihn wieder hin.
Wird Hendrik Bonmann ins Tor zurückkehren, wenn er wieder fit ist?
Henne muss erst mal komplett schmerzfrei sein. Ob er in zwei oder drei Wochen spielfit ist, das lässt sich aktuell nicht sagen. Und die Entscheidung, wer dann im Tor steht, werde ich treffen, wenn es soweit ist, das ist komplett offen. Henne und Marco Hiller sind zwei sehr gute und sehr unterschiedliche Torhüter. Wir können froh sein, dass wir zwei so gute Leute im Tor haben.
Der Abstand zur Abstiegszone beträgt aktuell nur einen Punkt. Wie lautet die Vorgabe bis zur nächsten Länderspielpause im November?
In den nächsten vier Spielen bis zur Länderspielpause geht’s darum, einen Abstand zur hinteren Zone herzustellen. Die Liga ist extrem ausgeglichen, vielleicht so ausgeglichen wie noch nie.
Ein Dreier zu Hause gegen den Tabellenletzten ist eigentlich Pflicht . . .
Eigentlich ja, wenn’s nicht Braunschweig wäre. André Schubert, der neue Trainer, ist bekannt dafür, dass er seine Mannschaften schnell zu Punkten geführt hat. Rein von der Qualität her dürfte Braunschweig nicht da unten stehen. Das wird ein extrem schweres Spiel.
Das Gespräch führte Florian Fussek