Sölden – Es ist wie immer, wenn der Tross des alpinen Ski-Weltcups sich ein paar Tage vor den ersten Rennen des Winters in Sölden trifft. Ein wenig Unsicherheit, eine Spur Nervosität hat auch in dieser Woche die meisten Athleten auf ihrem Weg ins Ötztal begleitet. Am Ende der langen Saisonvorbereitung weiß man nie so genau, ob die Form passt, die Materialabstimmung die richtige ist. „Jede fragt sich, wo sie steht“, sagt Viktoria Rebensburg. Fast jede, die 29-Jährige aus Kreuth ist sich nämlich sicher, dass sie gut dasteht vor dem Riesenslalom (Samstag), den sie im vergangenen Jahr gewonnen hat.
Der Sommer lief perfekt, „seit langem konnten wir alles so durchziehen, wie wir es geplant hatten“, erzählt Rebensburg. Weder Rücken noch Knie zwickten, wie in den vergangenen Jahren immer wieder mal, keine Verletzung hinderte sie am Training, nicht einmal die anhaltend warmen Temperaturen, die die Schneedepots auf den Gletschern dahinschmelzen ließen, störten den Plan. In Saas-Fee waren die Bedingungen fast ideal. Sie sparte sich deshalb auch die strapaziöse Reise nach Südamerika.
Mangels Konkurrenz in der eigenen Mannschaft muss Rebensburg den Vergleich in der Vorbereitung stets mit anderen Nationen suchen. Ihr Trainerteam hat hochkarätige Sparringspartnerinnen ausgesucht, unter anderem die Norwegerin Ragnhild Mowinckel, Silbermedaillengewinnerin bei den Winterspielen in Pyeongchang. Und zuletzt schloss sich Rebensburg den deutschen Abfahrern beim Riesenslalomtraining an. Wer schneller durch die Tore fuhr, wollte sie nicht sagen, aber ihr Schmunzeln ließ erahnen, dass es nicht Thomas Dreßen und Co. waren.
Seit Jürgen Graller vor einem guten Jahr die Position des Frauen-Cheftrainers übernommen hat, wurde der besten Athletin in der Mannschaft eine noch größere Ausnahmestellung eingeräumt. Während Graller im Frühjahr ein paar Trainerpositionen in der Technik- und Speedgruppe „mit kreativen Köpfen“, wie er sagt, neu besetzt hat, blieb beim Team Rebensburg alles beim Alten, fast alles. „Man muss sich immer die Frage stellen, was können wir besser machen, um den kleinen Schritt voraus zu bleiben.“ Es waren nur Kleinigkeiten, die verändert wurden: Regeneration angepasst und mehr auf die Ernährung geachtet.
Rebensburg wirkt vor der Saison meistens sehr aufgeräumt – egal, ob sie es ist oder nur eine mögliche Verunsicherung zu verbergen versucht. Aber dieses Mal, findet sogar der stets eher vorsichtig optimistische Sportchef Wolfgang Maier, sei sie körperlich so fit wie schon lange nicht mehr, vielleicht noch nie in ihrer Karriere.
Die vergangene Saison hatte ja für Rebensburg nicht nur schöne Momente wie den Gewinn der Riesenslalom-Kugel sondern haften blieb am Ende auch bei ihr Olympia. Der vierte Platz im Riesenslalom „hat mich beschäftigt“, gibt Rebensburg zu. Und motiviert, es in dieser Saison bei der WM in Are besser zu machen. Im schwedischen Skiort war sie vor knapp zwölf Jahren im Rampenlicht aufgetaucht. Dort, so gab es Spekulationen, könnte sie ihr Karriere im kommenden Februar beschließen. „Natürlich hat es den Gedanken schon mal gegeben, weil es eine schöne Geschichte wäre“, gibt Rebensburg zu. Aber von schönen Geschichten macht sie ihre Zukunft nicht abhängig sondern von Spaß, Erfolg und Gesundheit, „das sind die drei Punkte, die den Ausschlag, wie lange ich noch fahre“. Und die passen im Moment.