Vor gut drei Jahren traf es die Adler Mannheim. Alles war gut, und dann machte auf einmal der Trainer die Biege. Geoff Ward hatte in seiner ersten Saison die Meisterschaft in der Deutschen Eishockey-Liga geholt, doch er zog es vor, eine Stelle in der NHL anzunehmen – obwohl es nur die eines Co-Trainers war. Gleicher Fall nun bei Marco Sturm: Deutschland liegt ihm spätestens seit dem Gewinn der olympischen Silbermedaille zu Füßen, er ist eine weit über die Eishockeyszene hinaus bekannt gewordene Persönlichkeit – doch ab der nächsten Woche wird er in einer anderen Welt leben: Er hat ein Angebot der Los Angeles Kings angenommen, dort als Trainer-Assistent einzusteigen. Kurios ist, dass sein Chef dort derjenige sein wird, den er im olympischen Halbfinale (an der Bande der Kanadier) sportlich eliminiert hat. Bemerkenswert ist zudem, dass die Los Angeles Kings, denen Sturm sich nun anschließt, eines der schwächsten Teams der National Hockey League sind.
In deutsche Sportköpfe geht das alles nur schwer hinein. In international denkende aber schon. Auch wenn Marco Sturm ein geerdeter und heimatverbundener Mensch ist: Vor allem ist er ein Eishockey-Mann, der die Wertigkeiten erkennt. Für ihn war es immer ein klarer Fall: Das Herz des Sports schlägt in Nordamerika. Nahezu jeder Verein drüben hat etwas Mythisches – und schlägt daher das Angebot in Europa. Diese Erkenntnis beinhaltet eine bittere Wahrheit über die deutsche Liga und die deutsche Nationalmannschaft – aber betroffen sind davon auch die Schweizer, die Schweden, Finnen, Tschechen. Im Eishockey steht der Betrieb in der NHL über allem. Deswegen stürzen sich Spieler bereitwillig dieser Herausforderung entgegen – auch wenn die meisten wissen, dass die Wahrscheinlichkeit größer ist, in einem unglamourösen Farmteam zu landen.
Trotz des abrupten Abgangs ist das deutsche Eishockey Marco Sturm zu tiefstem Dank verpflichtet. Er hat es glänzend repräsentiert, das Nationalteam herausgeputzt, ihm zu den größten Momenten seiner Geschichte verholfen. Zugleich hat er als Realist erkannt, dass mit der Silbermedaille in Pyeongchang ein Maßstab gesetzt wurde, dem weder er noch ein anderer Trainer jemals wieder gerecht werden können. Die Geschichte war gut, sie kann nicht mehr besser werden, und auch das ist ein Grund, sie zu beenden. Jetzt, offen und in Anstand.
Guenter.Klein@ovb.net