Wenn Wembley bebt

von Redaktion

Ein Hauch von 1966: England könnte im Sommer einen Titel gewinnen – Revanche gegen Kroatien

London – Ausgelassen feierten die englischen Fans den denkwürdigen Abend von Wembley, johlten inbrünstig den Klassiker „Football’s coming home“ – und Harry Kane war gefangen in der Magie des Moments. Noch lange nach Abpfiff des dramatischen 2:1 (0:0) gegen Kroatien stand Englands Kapitän ganz allein auf dem Rasen und genoss den Augenblick. „Es ist unglaublich. So habe ich Wembley im England-Trikot noch nie erlebt“, jubelte der Torjäger ergriffen: „Wir wollten jeden stolz machen. Wir wollten das so sehr.“

Wenige Minuten zuvor hatte „King Kane“ sein Team nach einem furiosen Comeback gegen den Vizeweltmeister ins Final Four der Nations League geschossen und den Londoner Fußball-Tempel in ein Tollhaus verwandelt. „Eines der größten Tore, das ich je geschossen habe? Ganz sicher!“, sagte Kane über den entscheidenden Treffer in der 85. Minute: „Das war ein spezieller Sieg für uns.“

Schließlich war der Triumph nicht nur Balsam auf die englische Seele nach dem knappen Aus im WM-Halbfinale gegen eben jene Kroaten nur 130 Tage zuvor. Gleichzeitig verdeutlichte er auch, dass die junge Mannschaft seitdem wieder einen Schritt nach vorne gemacht hat und nicht, wie Skeptiker befürchtet hatten, bereits stagniert. „Mittlerweile können wir auch die Top-Teams schlagen. Wir hatten noch nie so viele harte Spiele in Serie. Aber wir haben daraus so viel gelernt“, sagte Teammanager Gareth Southgate stolz.

Denn anders als noch an diesem für England so bitteren Juli-Abend im Moskauer Luschniki-Stadion, zu dem trotz ihrer Russland-Ressentiments doch noch viele Fans von der britischen Insel angereist waren, hielt seine relativ unerfahrene Mannschaft diesmal dem Druck stand. Nach dem Gegentreffer durch Hoffenheims Andrej Kramaric (57.) hatte England schon dem Abstieg in die B-Liga entgegengeblickt. Doch das junge Team stemmte sich gegen den Absturz, kam durch die späten Tore von Jesse Lingard (78.) und Harry Kane nervenstark zurück – und darf nun um den Titel spielen.

„Ich denke, das zeigt, wie weit wir schon sind“, sagte Kane, der im kommenden Juni als erster Kapitän der „Three Lions“ seit dem WM-Sieg 1966 wieder einen Pokal in die Höhe recken will. Dass es dann in Portugal nur um den eher unbedeutenden Titel in der erstmals ausgespielten Nations League geht, ist ihm dabei völlig egal. „Man bekommt nicht viele Gelegenheiten, ein Turnier im England-Trikot zu gewinnen“, sagte der Torjäger: „Also müssen wir es versuchen und diese Chance nutzen.“

Auch Southgate sieht das starke Länderspieljahr mit dem magischen Abend von London als krönenden Abschluss nur als Zwischenschritt. „Wir haben unseren Fans in diesem Jahr einige unvergessliche Tage und Nächte beschert“, sagte er und blickte hoffnungsvoll voraus: „Darauf wollen wir aufbauen.“ TOBIAS SCHWYTER

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