In Leipzig sagte Joshua Kimmich, als er ins Stadion trat, habe er gedacht, er sei im Hallenbad – wegen der vielen freien blauen Sitze. „Das war natürlich ein Scherz, ich kenne die Arena ja“, erklärte der Ex-Leipziger drei Tage danach. Hallenbad-Ambiente bot jedoch auch Gelsenkirchen – schon weil das Dach der Arena November-like geschlossen war.
35 000 Zuschauer (offiziell – die Zahl war getürkt) in Leipzig, 41 000 auf Schalke – die beiden abschließenden 2018er-Länderspiele waren von ausverkauft weit entfernt. Auch das Spiel gegen Peru im September in Sinsheim litt unter schwacher Resonanz. Voll war das Stadion dann wegen des Gegners: Die Hälfte der Leute: Peruaner.
Dass Länderspiele kartenverkaufstechnisch kein Renner mehr sind, ist keine neue Erkenntnis. Es ist auch schon hinreichend analysiert worden, was die Leute davon abhält hinzufahren: Die späten Anstoßzeiten, die hohen Ticketpreise, eine allgemeine Übersättigung mit Fußball. Das Wenigste hat der DFB zu verantworten, etwa in der Frage, wann ein Spiel angepfiffen wird, gibt es Instanzen, die über ihm stehen (UEFA, Rechteinhaber).
Was der DFB aber beeinflussen könnte, ist die Stimmung im Stadion. Ein Erlebnis ist es nämlich schon längst nicht mehr, einem Länderspiel als Zuschauer beizuwohnen. Wer von etwas weiter anreist, möchte nicht ein Rahmenprogramm aus der Mottenkiste erleben. Niemand sehnt sich nach einer Eröffnungszeremonie, wie sie der DFB aber beharrlich aufführen lässt – als ob man bei den Olympischen Spielen wäre. Abstoßend ist das Ballyhoo um das Kunstprodukt Fanclub Nationalmannschaft („powered by Coca Cola“), das als notwendiges Übel geduldet wird, weil es halt der Vertriebskanal für die Eintrittskarten ist. Die Choreografien, die dieser angebliche Fanclub dann vor jedem Länderspiel aufführt, haben mit Fankultur überhaupt nichts zu tun. Nicht mehr zu ertragen zudem das Animateurs-Geplärre der Stadionsprecher und das Einspielen von Oliver Pochers abgenudeltem „Schwarz und Weiß“. Man muss den Holländern dankbar sein, dass sie es mit ihrem Ausgleich am Montag verhindert haben,
Doch ob der DFB wirklich entschlossen ist zu Reflexion und Erneuerung? Gehen wir besser davon aus, dass auch am Titel „Die Mannschaft“ festgehalten wird im nächsten Jahr. Oliver Bierhoff hat sich mit seinen Stakeholdern sicher noch nicht getroffen.
guenter.klein@ovb.net