München – Als Janosch Brugger in der sechsten Klasse war, ist Papa Harald aus dem heimischen Schwarzwald mit seinem Sohn zur Eiger-Nordwand gefahren. „Janosch stand da, und man hat gemerkt, dass er den Berg so richtig in sich aufsaugt. Er liebt die Berge und keiner kann ihm zu hoch sein.“
Die Aussage des Vaters gilt auch für die Ziele von Janosch Brugger – und eines davon hat sich der gerade 21 Jahre Skilangläufer am vergangenen Sonntag in Lillehammer erfüllt. Im 15-km-Klassik-Verfolgungsrennen zum Abschluss des dreitägigen Weltcup-Triples stürmte er von Startplatz 45 noch auf den 17. Rang nach vorn. Weil Brugger bei seiner spektakulären Verfolgungsjagd dabei die mit Abstand beste Zeit des Tages unter all den Skilanglauf-Stars der Welt markierte, ist er der erste deutsche Weltcup-Sieger in der Loipe seit fast vier Jahren. Und um 5000 Schweizer Franken Preisgeld reicher.
Natürlich muss man diesen Erfolg ein wenig relativieren. Der Schneefall am Sonntag in Lillehammer trug dazu bei, die eigentlichen Spitzenläufer im Vorderfeld der Meute einzubremsen. Und das Material des gesamten deutschen Teams war außergewöhnlich gut. Trotzdem war der neue Teamchef Peter Schlickenrieder überaus stolz auf seinen Youngster, der 2017 schon Junioren-Weltmeister im Sprint geworden war: „Das ist schon eine außergewöhnliche Leistung für so einen 21 Jahre alten Kerl. Eigentlich hatte er nach den Anstrengungen der zwei Tage vorher gar keinen so richtigen Bock zu laufen und zeigt dann so einen Ritt. Der Erfolg zeigt, was für ein riesiges Potenzial es im deutschen Skilanglauf nach oben gibt. Wir arbeiten uns langsam aus der Talsohle heraus, auch wenn so eine Leistung eigentlich noch nicht unser Niveau ist.“
Die goldenen Zeiten der heimischen Loipenstars liegen schon lange zurück. Zwischen 2004 und 2007 gewannen Rene Sommerfeldt, Doppel-Weltmeister Axel Teichmann und Tobias Angerer (2x) viermal in Serie den Gesamtweltcup. Alle drei haben inzwischen wichtige Positionen bei der Führung des deutschen Skilanglaufs eingenommen. Sommerfeldt ist Trainer des Perspektivkaders und Weltcup-Wachschef, Teichmann übergeordneter Technik- und Athletiktrainer und Angerer Vizepräsident des Deutschen Skiverbandes (DSV). Dort trat er die Nachfolge des einstigen Langlauf-Sprint-Olympiazweiten Peter Schlickenrieder an, der dafür seit April als Chef-Bundestrainer verantwortlich für den gesamten Bereich ist.
Seit seinem Amtsantritt versucht er, aus der Ansammlung von Einzelsportlern wieder ein schlagkräftiges Team zu formen. Bruggers Sturmlauf war ein erstes Ergebnis davon. „Es war ein Gänsehaut-Feeling beim Zuschauen: Jonas Dobler, Lucas Bögl und zeitweise auch Florian Notz sind in einer Gruppe mit Janosch zusammengelaufen und haben sich gegenseitig unterstützt. Ohne dieses Teamwork hätte der Bursche die Bestzeit nie geschafft.“ Dobler, Bögl und natürlich auch Janosch Brugger haben mit ihren Leistungen das Ticket für die Nordische Ski-WM in Seefeld (18. Februar – 3. März 2019) gelöst. Das Hauptziel für den frischgekrönten Weltcup-Sieger bleibt in diesem Winter jedoch die U23-WM (19. bis 27. Januar) im finnischen Lahti.
„Wir werden jetzt nicht durchdrehen und die Fehler der letzten zehn Jahre wiederholen, wo Sportler wie unser zuvor letzter Weltcup-Sieger Tim Tscharnke klassisch verbrannt wurden. Janosch wird Schritt für Schritt aufgebaut, sein Höchstleistungsalter kommt erst in ein paar Jahren“, sagt Schlickenrieder. Er will seinen unbekümmerten Topläufer mit diesen Worten auch vor übergroßen Erwartungen der Öffentlichkeit schützen. Fest steht aber auch, dass Brugger körperlich wie mental alle Anlagen für eine große Karriere als Skilangläufer mitbringt.
Das findet auch sein Papa: „Janosch hatte schon immer seinen eigenen Kopf und war etwas Besonderes Es ist selten, dass alle Bausteine wie Talent, Wille und ein bodenständiges Umfeld zusammenkommen.“ Bei der Familie Brugger aus Lenzkirch im Schwarzwald gehört Sport einfach dazu – nicht nur im eigenen Sportgeschäft. Mama Brugger war Skilanglauftrainerin im Verein und hat auch Janoschs zwei jüngere Schwestern zum Loipensport gebracht. Janosch begleitete schon im zarten Alter von zwei Jahren seine Eltern mit Plastikski an den Füßen auf Wanderungen. Nach dem Abitur wechselte die neue deutsche Loipen-Hoffnung in die Trainingsgruppe nach Oberstdorf, wo er gemeinsam mit seiner Teamkollegin Pia Fink wohnt.
In Bruggers Wahl-Heimat findet 2021 die Nordische Ski-Weltmeisterschaft statt. Dann wollen er und das gesamte deutsche Skilanglauf-Team „aus eigener Kraft eine Medaille holen“ (Schlickenrieder). Genau das passende Ziel für Janosch Brugger, so anspruchsvoll wie die Eiger-Nordwand.