Warten auf den Knotenlöser

von Redaktion

Allmählich scheint sich die Lage etwas zu entspannen, doch von echter Ruhe ist der FC Bayern noch weit entfernt. Am Samstag kommt der 1. FC Nürnberg in die Arena. Schon einmal in dieser Saison verhalfen die Franken einem Gegner zu einem Erfolgserlebnis mit Signalwirkung.

VON MARC BEYER

München – Trendwenden haben ihre eigenen Geschichten. Vielleicht wird die Geschichte des FC Bayern irgendwann mit dem Namen Serge Gnabry verbunden sein und seinen zwei Toren in Bremen. Und dann wird an irgendeiner Stelle der Hinweis nicht fehlen, dass dieser Gnabry ja eigentlich gar nicht von Anfang an spielen sollte. Und dass nur eine Blessur des Kollegen Robben ihm zu einem Platz in der Startelf verhalf.

Auch der souveräne Tabellenführer Borussia Dortmund hat in dieser Saison schon eine ganz spezielle Geschichte geschrieben. Laut Kalender sind exakt zehn Wochen vergangen, seit der 1. FC Nürnberg bei den Westfalen mit 0:7 unter die Räder geriet. Der Untergang des Clubs markierte gleichzeitig den Aufstieg des Gegners, der seitdem mit dem Toreschießen gar nicht mehr aufzuhören scheint. Man braucht ein ziemlich gutes Gedächtnis, um sich daran zu erinnern, wie holprig der BVB zuvor in die Saison gestartet war. Und wie schwer ihm ausgerechnet jener Teil des Fußballs fiel, für den er heute gefeiert wird.

Der BVB des frühen September und der FC Bayern des späten November sind sich gar nicht so unähnlich. Beide Clubs hatten einen ordentlichen Abstand auf den souveränen Tabellenführer (damals Bayern, heute Dortmund), beklagten einen Mangel an Kreativität und mahnten in der Öffentlichkeit Geduld an. Hier wie dort hofften die Verantwortlichen auf das eine Erfolgserlebnis, dem weitere folgen würden. Vor dem Nürnberg-Gastspiel sprach Sebastian Kehl, der Leiter der BVB-Lizenzspielerabteilung und designierte Sportchef, davon, dass es Zeit für einen richtig hohen Sieg wäre. Prompt bekam er ihn.

In München läuft das nicht ganz so reibungslos. Schon Anfang November, vor dem Champions League-Spiel gegen AEK Athen, sagte Niko Kovac, man brauche „mal so ein Spiel, das wir mit drei, vier Toren gewinnen. Sollte das passieren, öffnet sich hoffentlich der Knoten.“ Es folgte dann aber doch nur ein verzagtes 2:0, das keinerlei knotenlösende Wirkung hatte. Immerhin haben die Bayern vergangene Woche mal ein 5:1 gegen Benfica Lissabon hingelegt, und auch das 2:1 von Bremen darf als Zeichen der Besserung gewertet werden. Aber dass sie wieder über jeden Zweifel erhaben sind, das wird nun auch niemand behaupten.

Und jetzt kommt Nürnberg. Am Montag haben die Franken unter widrigsten Bedingungen ein 1:1 gegen Bayer Leverkusen erkämpft, sie haben auch schon Hannover und Düsseldorf besiegt, stehen im Pokal-Achtelfinale und in der Bundesliga-Tabelle auf einem sehr respektablen 15. Platz. Am meisten Eindruck haben sie zuletzt allerdings durch ihre beispiellos desolate Auswärtsbilanz hinterlassen.

In den vergangenen vier Spielen, beginnend mit der K.o.-Niederlage in Dortmund, haben die Nürnberger sagenhafte 20 Gegentore kassiert. Es gab noch ein 0:6 in Leipzig und ein 2:5 in Schalke (sowie ein 2:2 in Augsburg). So unstrittig die Erstligareife insgesamt ist, so besorgniserregend ist die Bilanz in der Fremde. Es hilft ihnen auch nicht viel, das nicht jede klare Niederlage den Spielverlauf korrekt wiedergibt. In Dortmund und Leipzig war man deutlich unterlegen, doch in Schalke wäre sehr viel mehr drin gewesen, wenn nur ein bis zwei der frühen Großchancen genutzt worden wären.

In besseren Zeiten wäre die Erwartung beim FC Bayern nun eindeutig: Ein hoher Sieg sollte es schon sein. Aber so sind die Zeiten nicht mehr, und gerade gegen Teams mit Club-Profil, ob Augsburg (1:1), Freiburg (1:1) oder Düsseldorf (3:3), hat man als Rekordmeister zuletzt viele ernüchternde Erfahrungen gemacht. „Es gibt für uns keine leichten Spiele“, erinnert Trainer Kovac. „Die sogenannten leichten Spiele haben wir zu Hause alle unentschieden gespielt. Deshalb fehlen uns sechs Punkte.“

Am Wochenende wollen sie sich nicht wieder so großzügig zeigen. Insgeheim schauen sie ja schon noch auf den BVB, in der Hoffnung (und mit der eigenen Erfahrung), dass auch ein Tabellenführer mal schwächelt. Während die Bayern am Samstag den Club erwarten, muss die Borussia nach Schalke, zur 153. Auflage des Revierderbys, in dem schon immer alles möglich war, sogar ein 4:4 nach 0:4. Ein oberbayerisch-fränkisches Derby kann da nicht mithalten, egal wie viele Tore auch fallen werden.

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