„Das zweite Kind will’s dem ersten zeigen“

von Redaktion

CHL-Chef Martin Baumann übers Red-Bull-Duell – Finale in der Münchner Olympiahalle?

München – Halbfinale in der Champions Hockey League (CHL). Der EHC München meldet ausverkauft für sein Heimspiel heute (19.30 Uhr, Sport1 live) gegen Red-Bull-Markenbruder EC Salzburg, in Göteborg stehen sich (18 Uhr) die Frölunda Indians und der HC Pilsen (Tschechien) gegenüber. CEO, also Chef der CHL, ist der Schweizer Martin Baumann.

Herr Baumann, Sie wünschen sich für die CHL ja immer eine Cinderella-Story. Wer ist das Aschenbrödel 2018/19?

Gute Frage. Es freut mich außerordentlich, dass wir neue Gesichter haben. Erstmals eine deutsche und eine österreichische Mannschaft unter den Top Vier. Es tut der Liga gut, dass die schwedische Dominanz endlich einmal gebrochen wurde. Dass es das Red-Bull-Aufeinandertreffen gibt, ist etwas Besonderes, diesen Leckerbissen hat es, wenn es um etwas ging, noch nicht gegeben. Hätte ich mir was wünschen können, wäre das sicher zuoberst auf der Liste gestanden.

Ihre Begeisterung bezüglich Red Bull gegen Red Bull muss man nicht teilen. Die Herren Rudolf Theierl und Rene Dimter sind sowohl in Salzburg als auch München als Geschäftsführer eingetragen. Die könnten sich doch raussuchen, wer Ihnen der genehmere Vertreter im Finale ist.

Lustigerweise hat mich das Schweizer Fernsehen das Gleiche gefragt. Ich glaube, die Problematik, die im Fußball bei diesem Duell herrscht (Leipzig – Salzburg in der Europa League, d. Red.), ist viel größer. Im Eishockey geht es ums Prestige, es ist da sehr ehrlich, beide Mannschaften wollen um jeden Preis gewinnen, es wird kein Thema sein, dass da irgendwas abgekartet wird. Kann ich mir sehr, sehr schwer vorstellen.

Im Fußball gibt es auf dem Papier eine Entflechtung zwischen den Red-Bull-Vereinen, im Eishockey sind sie aber wirklich vom gleichen Fleische.

Gerade München bedeutet es so viel. Und das deutsche Team möchte dem österreichischen beweisen, dass es noch eine Spur besser ist, von der Struktur, der Organisation. Einfach weil es das zweite ist und nicht das erste.

Das Erstgeborene, Salzburg, will dem Papa zeigen, dass es ihm das liebere sein sollte.

Genau. Aber wenn man sich die DEL-Saison von München und die EBEL-Saison von Salzburg anschaut – München als die jüngere Organisation wirkt hungriger, hat noch nicht so viele Titel. Wenn ein Team es sich noch mehr wünscht als die anderen, ist es das Münchner. Ich muss diplomatisch sein, möchte es aber den deutschen Kollegen gönnen. Die Champions Hockey League hat in Deutschland dieses Jahr große Fortschritte gemacht, ich war begeistert, wie seriös die Coaches sie angenommen haben.Ich bin begeistert von der Persönlichkeit des Münchner Trainers Don Jackson, davon, wie er sagt, es sei sein Ziel, die CHL zu gewinnen. Solche Protagonisten braucht die Liga. München wäre die größere Story.

Pilsen hat aber auch Cinderella-Potenzial.

Durchaus. Sie haben in der Gruppenphase 17 von 18 möglichen Punkten gemacht, waren das beste Team in der CHL. Nur in der tschechischen Liga läuft es nicht so gut. Frölunda ist natürlich die Bank, solide, in der schwedischen Meisterschaft wieder an erster Stelle. Dreimal im CHL-Finale, zweimal Champion – und wahrscheinlich zu favorisieren: Riesenerfahrung, Riesenkader, hervorragender Coach, sehr viel Geld im Spiel, ein Vorzeigeclub.

Das Finale wird der Club ausrichten, der der Beste ist, wenn man die Playoffs in Punkte umrechnet. München hat dadurch keine Chance, oder?

München hat das größte Handicap. Am Schluss wird der Verwaltungsrat, das CHL-Board, mitentscheiden über den Austragungsort des Finales (am 5. Februar, d. Red.). Da geht es auch um Infrastrukturthemen, das Finale muss an einem würdigen Ort ausgetragen werden. Salzburg mit einer ganz, ganz kleinen Arena (für 3400 Zuschauer, d. Red.) wäre schwierig.

Wäre München eine Option, falls die große Olympiahalle bereitstünde? Es gab um den Jahreswechsel diesmal keine Hockey-Halleluja-Spiele, und zwischen 20. Januar und 9. Februar wäre sie frei.

Das wurde gerade erstmals an mich herangetragen. Es wäre für das Produkt und die Fans toll, man könnte eine gute Geschichte inszenieren.

Nachgehakt: Also nicht ausschließlich die Punktewertung ist entscheidend.

Eigentlich schon, aber wir hatten schon den Fall, dass Clubs aufs Heimrecht verzichteten. Manchmal ist eine Arena auch nicht verfügbar. In Göteborg etwa wird in der gleichen Woche wie das CHL-Finale der schwedische Vorentscheid im Eurovision Song Contest sein, ein sehr großer Event – im Scandinavium, der größeren Halle (12 000 Plätze, d. Red.).

Die klassische Frage zur CHL noch: Bessert sich die Perspektive, dass auch die russische KHL mal mitmacht?

Nach wie vor schwierig, sie zu begeistern, sie hat eigene Expansionspläne. Die Zeit wird’s richten, irgendwann kommt der Punkt, an dem die KHL mitmachen muss. Immer nur zu sagen, wir sind besser als der Rest Europas, ist nicht mehr adäquat. Aber es schreien nicht mehr viele unserer Clubs danach, dass die KHL mittun muss.

Interview: Günter Klein

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