München – 8. Januar 2014, heute vor fünf Jahren – das war ein Tag mit zunächst keiner besonderen Fußball-Nachrichtenlage. Und wurde dann doch noch zum einschneidenden Datum. Durch das Coming-out von Thomas Hitzlsperger. Der ehemalige Nationalspieler, der seine Karriere im Sommer davor beendet hatte, beschloss, die Öffentlichkeit über seine Homosexualität zu informieren. Er tat es mit Hilfe einer Agentur, weil absehbar war: Das würde zu einer Flut an Interviewanfragen führen. Schließlich war er der Erste aus dem Profibereich, der erste wirklich prominente Fußballer in Deutschland, der sagte, dass er sich nicht verstellen, kein heimliches Leben führen wolle.
Zum fünften Jahrestag hat Thomas Hitzlsperger dem Hörfunkreporter Thomas Kattenbeck für die ARD-Radio-Recherche Sport ein exklusives und ausführliches Interview gegeben. Sein Fazit: Auch wenn kein weiterer Spieler in Deutschland seinen Weg gegangen ist – für ihn selber sei das Leben „sehr gut weitergegangen. Ich bin sehr, sehr froh, dass ich mich damals so geäußert habe.“ Er ist ein angesehner Fernsehexperte, leitet das Nachwuchsleistungszentrum des VfB Stuttgart, fungiert beim DFB als Botschafter für Vielfalt, Und Hitzlsperger glaubt, dass es „viele Fortschritte im Profisport gegeben hat, in allem, was das Thema Diskriminierung, Vorbehalte, Toleranz angeht. Es gibt jetzt eine ganz andere Gesprächsebene, auch wenn wir über sexuelle Vielfalt sprechen. Er ist kein so Tabu mehr, wie es vielleicht vor fünf Jahren war.“
Coming-out oder nicht? Thomas Hitzlsperger kann nur eines raten: „Höre auf deine eigene Stimme, die ist bedeutender als das, was dir Außenstehende raten können. Auch mich wollten Leute beschützen, aber das war falsch.“ Was Hitzlsperger nicht mag, ist der Nachsatz, den viele aus der Fußballszene anhängen, wenn über das Thema gesprochen wird. Das „Aber ich würde es nicht raten“. Auch Peter Fischer, bekanntermaßen sehr liberaler Präsident von Eintracht Frankfurt, äußert sich gegenüber der ARD-Radio-Recherche Sport so.
„Das ist schade, dass er das sagt“, findet Hitzlsperger. Es sei ein Arbeiten mit den Ängsten und „genau das Falsche. Alle Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sollten ermutigende Worte sprechen.“ Ein „Ich würde es nicht raten“ hingegen „bleibt immer in den Köpfen hängen“.
Was würde nun geschehen bei einem weiteren Coping-out? Nach Einschätzung von Hitzlsperger gar nicht viel.
„Ich glaube, dass die Fankurven definitiv nicht das Problem sind, dass die Fußball-Fans viel aufgeklärter, viel aufgeschlossener sind. Spieler, die mit dem Gedanken spielen, sich zu outen, haben von den Fans, glaube ich, nicht soviel zu befürchten. Das sind viele Befürchtungen, die nur in den Köpfen einiger existieren, die aber nicht real sind.“ Auch mit einem Shitstorm würde Hitzlsperger nicht rechnen, man würde „nicht beleidigt von großen Massen“. Er habe viele positive Zuschriften bekommen, „Leute, die mich beschimpft haben, die konnte ich ganz gut einordnen und ablegen und löschen.“
Weil sein Coming-out erst nach der aktiven Zeit erfolgte, musste er nicht mehr auf den Platz, kann daher nur abschätzen, wie die Reaktion anderer Spieler gewesen wäre. Er hätte aber nicht mit Anfeindungen gerechnet. „Nicht jeder Fußballspieler ist böse und will dem anderen was Böses. Die sind oft sehr mit sich selber beschäftigt. Natürlich wird es einige wenige geben, die würden das auch versuchen auszunutzen. Es geht darum, ein breites Kreuz zu haben, man braucht Selbstbewusstsein, das gehört dazu. Aber das brauchen alle, die Fußball spielen.“
Für nicht sehr griffig hält Hitzlsperger das Argument, dass ein als schwul bekannter Fußballprofi seine Sponsorenverträge verlieren könnte. „Es gibt eh nur wenige Spieler, die Sponsorenverträge haben, also wo ist das Problem?“
Thomas Hitzlsperger hat keines bekommen durch das, was er am 8. Januar 2014 verlautbart hat. Für ihn folgten „fünf bewegende und interessante Jahre“.