Doll knapp am großen Glück vorbei

von Redaktion

Der Schwarzwälder wird Sprint-Dritter, verpasst aber beim letzten Schuss den ersten Weltcup-Sieg

Ruhpolding – Es war der letzte von zehn Schüssen, die klassische Situation im Biathlon also, in der aus einem vermeintlichen Sieger ganz schnell ein Verlierer werden kann, zumal in einem Sprintrennen. Benedikt Doll hatte eine bärenstarke Leistung geliefert beim Ruhpoldinger Heimspiel, war mit bester Zwischenzeit unterwegs – und es fehlte ihm nur noch ein Treffer zum ganz großen Glück. Doch mit 11 500 Zuschauern im Rücken schwand am Ende die Zielsicherheit: „Ich wurde etwas nervös.“ Die schwarze Scheibe blieb stehen, er quittierte es mit einem kurzen ironischen Lächeln.

Als Verlierer brauchte Doll sich dennoch nicht zu fühlen. Der Schwarzwälder schaffte es trotz des finalen Patzers aufs Podest, als strahlender Dritter. „Ich bin glücklich“, sagte er. Zufrieden zeigte sich auch Teamgefährte Johannes Kühn aus dem nahen Reit im Winkl, der als Siebter sein zweitbestes Saisonergebnis verzeichnete. Auch bei ihm ging ein Schuss daneben. „Es war ein gutes Rennen“, meinte er, „aber kein perfektes.“

Doll ist zum Auftakt der Ruhpoldinger Biathlon-Tage sogar drauf und dran gewesen, den Seriensieger dieses Winters zu schlagen. Johannes Thingnes Bö hatte sich eine Strafrunde geleistet und damit – was bei ihm höchst selten vorkommt – Blöße gegeben. Doch letztlich feierte der 25-jährige Norweger den achten Sieg im elften Saisonrennen und rang damit auch seinen fehlerlos schießenden Bruder Tarje (30) nieder, der mit 7,9 Sekunden Rückstand auf Rang 2 folgte. Der Abstand des Tagesbesten zu Doll betrug 10,5 Sekunden. Als Vierter kam der Triumphator der vergangenen Jahre, Martin Fourcade (15,9 zurück), ins Ziel. Frankreichs Rekordolympionike hat sieben Jahre in Folge den Gesamtweltcup gewonnen. Seine Unantastbarkeit verlor der schwächelnde 30-Jährige in dieser Saison, die Rolle des Dominators wird nun von Johannes Thingnes Bö bestens ausgefüllt. Tarje Bö meinte gar, seinem kleinen Bruder gebühre nicht nur das Gelbe Trikot des Weltcupführenden, sondern auch ein goldenes Dress, „weil er so weit über den anderen steht“.

Gestern allerdings hätte ausnahmsweise Benedikt Doll über dem Weltcup-Spitzenreiter stehen können. „Ich hätte mehr meinem Schussrhythmus vertrauen sollen“, analysierte der 28-jährige Sportsoldat den alles entscheidenden Fingerdruck, der ihn den ersten Weltcupsieg seiner Karriere kostete. „Ich habe nicht zu schnell, sondern zu langsam geschossen. Mir ist dabei ein bisschen die Aufmerksamkeit verloren gegangen, das Timing hat nicht mehr gepasst.“ Doll, Sprint-Weltmeister von 2017, kennt die diesbezüglichen Tücken aus langer Erfahrung: „Der letzte Schuss ist psychologisch der schwierigste.“ Ganz besonders vor heimischer Kulisse: „Wenn ich in Ruhpolding die Zuschauer im Rücken habe, dann spüre ich deren Anspannung, ich weiß: Die fiebern jetzt alle mit und wollen unbedingt, dass ich eine Null schieße.“ Der Heimvorteil hat auch seine Kehrseite.  gib

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