Optimismus aus Gewohnheit

von Redaktion

Trotz des jüngsten Aufschwungs kämpfen auch die Bayern mit Unwägbarkeiten

VON MARC BEYER

München – Vielleicht sollte es Javi Martinez am meisten zu denken geben, dass Niko Kovac keine besondere Lust hat, über Javi Martinez zu sprechen. Der Baske ist selbst im ziemlich edel besetzten Kader des FC Bayern eine der interessantesten Personalien, aber er ist es nun mal nicht wegen seiner glänzenden Leistungen. Sondern aus dem exakt entgegengesetzten Grund: Martinez’ Leistungsniveau ist schon seit Monaten kaum mehr zu beurteilen. Fragt man seinen Trainer aber nach den Hintergründen, klingt die Antwort so unverbindlich, dass man sie genauso gut auf jeden anderen Reservisten der Bayern münzen könnte.

Er wolle es „mal ganz generell halten“, sagte Kovac am Mittwoch, denn natürlich spürte er die Sprengkraft einer solchen Frage. „Der eine spricht von dem Spieler, der andere von dem – so können wir alle durchgehen.“ Grundsätzlich sei die Qualität im Bayern-Kader so hoch, dass man bei der Unterschrift logischerweise wisse, worauf man sich einlässt: „Der eine spielt etwas mehr, der andere etwas weniger.“

Martinez, mit einem Preis von 40 Millionen Euro noch immer zweitteuerster Bayern-Einkauf und vergangene Saison unter Jupp Heynckes einer der Schlüsselspieler, ist in der internen Hierarchie trotzdem ziemlich tief gefallen, noch tiefer als Mats Hummels. Während der einstige Abwehrchef selbst als Reservist zumindest die Nummer 12 oder 13 war und auch jetzt Chancen in Hoffenheim auf einen Einsatz hat, ist der Mittelfeldmann gefühlt ganz weit weg.

Auch wenn Kovac das etwas anders sieht. Neulich hat er sich die Statistiken der Hinrunde herausgesucht und ermittelt, „dass Javi gar nicht so wenig Spiele gemacht hat“. Von den letzten fünf Partien allerdings auch nur eines. Als der Trainer Ende November, Anfang Dezember endlich so etwas wie eine Stammelf fand, fiel seine Wahl im Zentrum erst auf Joshua Kimmich und Leon Goretzka, später kehrte der genesene Thiago zurück. Irgendwann gab es für Kovac einfach keinen Grund mehr, etwas zu ändern.

Zuletzt ist viel vom frisch entflammten Kampfgeist der Bayern die Rede gewesen. Alle sagen, wie wohl sie sich in der Rolle des Jägers fühlen und wie optimistisch sie seien, die Dortmunder noch abzufangen. Was man eben so erzählt vor dem Start in die (Halb-)Runde, unter dem Eindruck einer gelungenen Vorbereitung. Zu ernst muss man solche Ansagen nicht nehmen.

Aber es passt in die zarte Zuversicht, dass die explosiveren Themen lieber kleingeredet werden. Trotz des Formaufschwungs im Dezember und des Gefühls, eine Krise erfolgreich bewältigt zu haben, sind die Bayern vor dem Rückrundenauftakt in Hoffenheim nicht frei von Unsicherheit. Exakt wisse man noch nicht, wo man stehe, gibt Kovac zu bedenken, „das weiß keine Mannschaft. Deshalb wird das Spiel in Hoffenheim sehr, sehr wichtig.“

Er hat im Herbst am eigenen Leib erfahren, wie schnell die wunderbarste Stimmung kippen kann. Und bis auf den jungen Kanadier Alphonso Davies ist der Kader unverändert. Die Bayern sind weiterhin eine Mannschaft im Umbruch, für einige werden die nächsten Monate die letzten im roten Trikot sein. Es wird nicht nur die Senioren Robben, Ribery und Rafinha treffen, sondern auch Profis, die vom Alter und Leistungsstand her durchaus eine Zukunft hätten. Männer wie Martinez.

Es wird keine ganz kleine Rolle spielen, wie Kovac die Unzufriedenen bei Laune hält. Zu Saisonbeginn versuchte er, jeden auf seine Einsätze kommen zu lassen, fuhr damit aber nicht immer gut. Nun hat er Erfolg, aber auch Härtefälle zu moderieren. Bei Javi Martinez ist er sich sicher, „dass wir seine Qualitäten auf jeden Fall brauchen werden“. Klingt unverbindlich, aber trotzdem optimistisch. Wie man halt so spricht vor dem Start.

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