Angriffslustig auf die Abschiedstour

von Redaktion

Lindsey Vonn kehrt in Cortina mit Platz 15 in den Weltcup zurück – „Ich dachte, es ist leichter“

VON ELISABETH SCHLAMMERL

Cortina d’Ampezzo – Lindsey Vonn weiß, was von ihr erwartet wird. Ein bisschen Show, ein bisschen Inszenierung muss schon sein, wenn die beste Skirennläuferin der Vergangenheit auftritt. Und die 34 Jahre alte Amerikanerin spielt immer mit, erst recht, wenn die Vorstellung auf Schnee ihren Vorstellungen entsprochen hat. Das gelang Vonn am Freitag zwar nicht ganz, aber die Abfahrt in Cortina d’Ampezzo bedeutete auch nicht irgendeine für sie, sondern es war ihr erster Weltcup-Auftritt seit zehn Monaten und der erste auf ihrer Abschiedstour.

Nachdem sie im Ziel der Olympia delle Tofana abgeschwungen hatte, warf Vonn Kusshändchen Richtung Tribüne, wo ihre Fans ein großes Lindsey-Plakat in die Höhe gehoben haben. Am Ende war sie mehr beschäftigt mit Interviews, Selfies und Autogrammschreiben als die österreichische Überraschungssiegerin Ramona Siebenhofer. Vonn hat bei ihrer Rückkehr nach einer im November im Training erlittenen Knieverletzung Verwandte und Bekannte mitgebracht zu ihren letzten Weltcup-Rennen in den Dolomiten. Die haben sie lautstark unterstützt, lautstärker als die italienischen Fans ihre Läuferinnen. An die Anwesenheit des Vonn-Clans muss sich die Konkurrenz den Rest des Winters gewöhnen. „Ich möchte, dass mich alle meine Freunde noch einmal sehen, bevor ich zurücktrete“, sagte sie.

Vonns drittletztes Rennen in Cortina – am Samstag gibt es noch einmal eine Abfahrt und am Sonntag einen Super-G – hat sie auf dem 15. Platz beendet, mit 1,19 Sekunden Rückstand hinter Siebenhofer und einer knappe halben Sekunde hinter der besten Deutschen, der Starnbergerin Kira Weidle, die mit Rang acht ihre Zugehörigkeit zur Weltelite bestätigte. Auch Viktoria Rebensburg aus Kreuth war als Elfte noch schneller – und die Lenggrieserin Michaela Wenig als 17. nur drei Hundertstelsekunden langsamer.

„Ich dachte, es ist leichter zurückzukommen und auf dem Podium zu landen“, gab Vonn zu. Sie habe immer „die höchsten Erwartungen“ von sich, auch bei einem Comeback-Rennen, von denen sie ja auch schon einige hinter sich hat. Ein kleiner Fehler im oberen Teil kostete eine bessere Platzierung, aber ziemlich sicher wäre sie auch ohne den Ausrutscher nicht dort gelandet, wo sie es viele Jahre ihre Karriere gewohnt war zu stehen: Ganz oben.

Mindestens vier Mal soll ihr das noch gelingen, ist es doch ihr großes Ziel, den Rekord von Ingemar Stenmark von 86 Weltcup-Siegen wenigstens einzustellen. Viele Gelegenheiten bleiben ihr allerdings nicht mehr, ihren 82. Erfolgen noch weitere hinzuzufügen, denn der Körper hatte ihr im Herbst, noch vor der letzten Knieverletzung signalisiert: Es ist genug. Es fehle nicht „an Motivation, Hingabe oder Willen“, sagte sie. „Es fehlt an Knorpel.“

Neun Abfahrts- und Super-G-Rennen bleiben ihr in dieser Saison noch und drei Rennen Anfang Dezember in Lake Louise. Im kanadischen Skiresort, wo sie so oft gewonnen hat wie keine andere Athletin, will sie sich endgültig verabschieden. Sie nahm und nimmt auch in den letzten Monaten noch einiges in Kauf, weil sie nur schwer loslassen kann vom Skisport, über den sie sich noch immer definiert. Vonn muss ihre beiden lädierten Knie jeweils mit einer Schiene im Rennen stabilisieren. Das sei zwar nicht aerodynamisch, gibt sie zu und klingt dann fast ein bisschen wehmütig: „Aber das ist besser, als gar nicht Rennen zu fahren.“

Zweifel, dass die letzte Rekordjagd gelingt, scheint sie im Moment keine zu haben. „Ich bin vielleicht nicht zu 100 Prozent gesund, aber zu 100 Prozent stark“, hatte sie nach ihrer Ankunft in den Dolomiten Mitte der Woche gesagt. In der ersten Abfahrt fühlte sie sich grundsätzlich bestätigt: „Ich war positiv, angriffslustig und habe von oben weg gepusht.“ Was sie nun noch besser machen könne in den nächsten beiden Rennen? „Ich werde meine Unterwäsche wechseln und meinen Rennanzug – dann bin ich vielleicht ein bisschen schneller.“ Vielleicht sogar schnell genug fürs Podest.

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