Ruhpolding – Am Ende lief alles auf einen Showdown hinaus, mit dem nicht unbedingt zu rechnen war. Johannes Thingnes Bö, der überragende Biathlet dieses Winter, kontra Benedikt Doll. Seite an Seite standen die in Führung liegenden Kontrahenten beim letzten Schießen des Ruhpoldinger Staffelrennens, und erstaunlicherweise war es der Norweger, der wackelte. Drei Nachlader leistete sich der sonst so sicher schießende Bö, und für den Deutschen bot sich vor 16 000 Zuschauern somit eine kleine, überraschende Siegchance.
Doch auf der Schlussrunde stellte der achtfache Saisonsieger die erwarteten Machtverhältnisse wieder her, Bö zermürbte Doll mit einer gnadenlosen Attacke und erreichte schließlich als Erster das Ziel. Doch auch Doll wurde von seinen Teamgefährten wie ein Sieger in die Arme geschlossen. Platz zwei, das bislang beste Resultat der Lokalmatadoren bei diesem Heimweltcup, löste ein Stimmungshoch im deutschen Lager aus. Cheftrainer Mark Kirchner befand mit für ihn außergewöhnlich heiterer Miene: „Das Ergebnis spricht für sich. Wir haben um den Sieg mitgekämpft.“
Dem deutschen Quartett war das nicht unbedingt zuzutrauen gewesen. Zuletzt beim Weltcup in Oberhof musste man sich mit einem eher schmählichen achten Platz begnügen – es war die schlechteste deutsche Staffelleistung seit zehn Jahren. Der schwächelnde Simon Schempp, seit Jahren verlässliche Spitzenkraft, entschloss sich, auf einen Ruhpolding-Start zu verzichten, um sich stattdessen mit zusätzlichen Trainingseinheiten zu stabilisieren. Erik Lesser durfte als junger Vater eine Familienpause einlegen.
Somit musste die Staffel neu formiert werden. Roman Rees und Johannes Kühn bekamen somit ihre Bewährungschance – und vor allem Rees nutzte sie. Der 25-Jährige aus dem Schwarzwald räumte alle zehn Scheiben mit dem ersten Schuss ab. Beim ersten Wechsel trennte ihn vom Spitzenrang nur eine Sekunde. Chefcoach Kirchner belobigte: „Das war bravourös.“
Kühn hielt – trotz vier Nachladern – einigermaßen Anschluss. „Johannes hat eine Wahnsinnsschlussrunde hingebrettert“, befand der wieder einmal tadellose Routinier Arnd Peiffer. Zusammen mit Doll machte der Sprint-Olympiasieger dann sogar den Gebrüdern Tarje und Johannes Thingnes Bö mächtig zu schaffen. „Für das Publikum war das ein tolles Rennen“, fasste Peiffer zusammen. Dass es schließlich nicht ganz reichte für den deutschen Sieg, tat seiner Freude keinen Abbruch: „Obwohl bei uns zwei Superleute fehlten, sind wir Zweiter geworden“, sagte er: „Was wollen wir mehr?“