Reisegruppe einhändige Rückhand

von Redaktion

AUSTRALIAN OPEN Warum Federer gegen Tsitsipas ein besonders Spiel sein wird – „Den Stil am Leben halten“

VON DORIS HENKEL

Melbourne – Schwer zu sagen, ob Lenny Gefallen am Spiel fand oder er sich vor allem darüber freute, bei guter Aussicht Faxen mit Onkel Ivan machen zu dürfen, seines Vaters Coach. Prinzipiell interessieren sich Lenny und Zwillingsbruder Leo zu Roger Federers Freude durchaus fürs Tennis und andere Ballsportarten, anders als die fünf Jahre älteren Schwestern. Natürlich spielt Federer gelegentlich mit den Söhnen, aber eines, so sagte er mal, werde er gewiss nicht tun: den beiden die einhändige Rückhand beibringen.

Im modernen Tennis gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass die beidhändige Rückhand mehr Tempo, Dynamik und Stabilität ins Spiel bringt und dass sie darüber hinaus auch leichter zu lernen ist.

Am Sonntag wird Federer im Achtelfinale gegen den jungen Stefanos Tsitsipas spielen, und der ist einer aus der kleinen Klasse der Einhändigen. Griechenlands Bester hat das Spiel von seinem Vater Apostolos gelernt, der auch heute noch sein Coach ist. Von Anfang an übrigens mit einer einhändigen Rückhand. Er habe es auch mal mit zwei Händen versucht, sagt Tsitsipas, aber dabei habe er sich nie wohl gefühlt.

Dabei sei die Sache am Anfang wirklich nicht leicht für ihn gewesen. „Ich war nicht stark genug, und die anderen hatten einen Vorteil. Aber ich habe sie trotzdem geschlagen; mit 10 war ich Champion in Griechenland, mit 12, mit 14 und so weiter. Keiner, wirklich keiner, hat bei uns eine einhändige Rückhand gespielt. Aber ich glaub nicht, dass ich mit einer beidhändigen Rückhand da wäre, wo ich jetzt bin.“

Roger Federer war von kleinauf das Idol von Tsitsipas, der seit zwei Wochen weiß, wie es ist, wenn bei der ersten Begegnung aus einem Vorbild ein Rivale wird. Beim Hopman Cup in Perth stand er vor dieser nicht ganz leichten Aufgabe, und er löste sie trotz einer Niederlage auf sehenswerte Weise; es war eine höchst unterhaltsame Partie.

Natürlich wurde Federer hinterher mit der Frage konfrontiert, was er von Tsitsipas’ Qualitäten halte, der innerhalb eines Jahres in der Weltrangliste von Platz 91 auf 15 geklettert war. Er sei nicht besonders gut darin, Leute einzuordnen, antwortete der Schweizer. „Manchmal trainiere ich mit einem und denke, naja, mehr als okay ist der nicht – und ein paar Jahre später ist er Nummer eins. Ich mag es einfach nicht, den Leuten mit Voraussagen Druck zu machen und ihnen für den Rest ihrer Karriere einen Rucksack aufzuladen. Es kommt alles darauf an, wie sie mit Druck umgehen können.“

Er freut sich auf jede Begegnung mit einem aus der kleinen Reisegruppe einhändige Rückhand, die in den vergangenen Jahren Zuwachs bekommen hat, neben Tsitsipas vom kanadischen Teenager Denis Shapovalov. „Wir müssen diesen Stil so lange am Leben halten wie möglich“, sagte Federer im vergangenen Jahr in Melbourne vor einer Begegnung mit dem Franzosen Richard Gasquet.

Aber vielleicht hat die Freude auch ein klein wenig damit zu tun, dass er nur alle Jubeljahre gegen einen Konkurrenten mit einer einhändigen Rückhand verliert. Seine Bilanz gegen Gasquet: 17:2, ein Spiel mehr gewann Landsmann Stan Wawrinka (21:3).

Andere versuchten es bisher vergeblich wie Philipp Kohlschreiber und der Spanier Feliciano Lopez(0:13), und auch Grigor Dimitrov gewann bisher von sieben Begegnungen nicht eine. Die aktuell beste Bilanz hat der Österreicher Dominic Thiem, der bei 2:2 steht.

Nun könnte man sagen, dass sich dieses Verhältnis der Kräfte so eindeutig liest, weil Federers Rückhand in den vergangenen Jahren, seit er mit einem größeren Schlägerkopf spielt, noch gefährlicher und besser geworden ist. Aber das hat ja früher mit dem älteren Gerät auch nicht viel anders ausgesehen. Zwischen 2000 und 2010 spielte er zehnmal gegen seinen jetzigen Coach, Ivan Ljubicic, und gewann 13 von 16 Begegnungen.

Was das nun für Stefanos Tsitsipas bedeutet, der am Sonntag zum ersten Mal in einem offiziellen Turnierspiel gegen den Meister antreten wird? Ein Sieg – und er steht ganz oben in der Liste. Aber das wäre vermutlich das letzte, worauf der Grieche in dem Moment Wert legen würde.

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