München – Cristiano Ronaldo (22) kostete Juve 117 Millionen Euro, für Neymar (26) musste Paris 222 Millionen Euro bezahlen. Sprintlegende Armin Hary (81) ist Mitbesitzer eines Bildes, das diese Werte locker übersteigen könnte. Auf eine Milliarde Euro schätzt sein Kontrahent, ein Galeriebesitzer (78), den materiellen Wert der „Verkündigungs-Madonna“ von Leonardo da Vinci. Der 78-Jährige betrachtet sich als rechtmäßigen Besitzer des Gemäldes. Hary hat ihn verklagt.
Dem zweifachen Olympiasieger von Rom (1960), der als Erster die 100 Meter in 10,0 Sekunden lief, geht es gar nicht so sehr um das Bild. Er braucht vielmehr Geld und würde das Fragment am liebsten sofort verkaufen. Einen Abnehmer hätte er schon. Der würde sofort 1,5 Millionen Euro zahlen, erklärte sein Anwalt Hubert Starflinger gestern vor dem Oberlandesgericht (OLG). Doch Hary kommt nicht an seine „Madonna“. Sie befindet sich im Depot der Alten Pinakothek. Der von ihm verklagte Galerist gibt sie nicht frei. Er soll Hary in den 80er-Jahren das damals unbekannte Gemälde quasi als Schuldschein überlassen haben. Diese Abmachung bestreitet er allerdings vehement.
Verständlich, denn 1989 erkannte ein Restaurator, dass es sich um einen da Vinci handelt. Der Galerist spricht heute bei der Madonna vom „teuersten Bild der Welt“. Damit wäre es doppelt so viel wert wie das Gemälde „Salvator Mundi“, ebenfalls von da Vinci, das im November 2017 beim Auktionshaus Christie’s in New York einen Preis von 450 Millionen Dollar erzielte.
Anwalt Starflinger hat sich vor drei Wochen selbst davon überzeugt, dass sich die „unbefleckte“ Madonna noch in der Gemäldesammlung in München befindet. Er war tief beeindruckt, als er das etwa 1,10 Meter hohe Bild sah. „Mir ist richtig ein Schauer über den Rücken gelaufen“, berichtete er am Rande des Prozesses. „Was für ein Gesicht“, schwärmte er.
Das OLG versuchte gestern stundenlang einen Schlussstrich unter den 30 Jahre andauenden Streit zu ziehen. Es formulierte einen Vergleich, von dem beide Seiten profitiert hätten. Doch die Männer sind so voller Misstrauen, dass sie die Regelung, am liebsten mit zahllosen Klauseln gespickt hätten. 150 000 Euro soll der Galerist an Hary bezahlen, dafür soll der vom Besitz zurücktreten. Anschließend müsste der Galerist das Bild verkaufen und dem deutschen Topsprinter des vergangenen Jahrhunderts zehn Prozent des Verkaufspreises überlassen. Zwei Jahre hätte er dafür Zeit, ansonsten bekäme Hary weitere 250 000 Euro – nur ein Butterbrot, sollte die Madonna tatsächliche eine Milliarde wert sein. Ein Gutachten würde allerdings eine Million Euro verschlingen. Geld, das keiner der beiden Männer momentan besitzt.
Hary, der ein Sprinter war und kein Marathonläufer, braucht vor Gericht einen langen Atem. Ob er zwischenzeitlich seine Goldmedaillen über 100 Meter und 4×100 Meter samt Olympia-Equipment wie Laufschuhen und Trikot verkauft hat, wollte er nicht sagen: „Ich gehe auf die 100 zu, ich mag nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen“, sagte er. Am 1. April wird weiter verhandelt. ANGELA WALSER