Souverän mit Schönheitsfehlern

von Redaktion

Der FC Bayern bezwingt Stuttgart, gerät kurzzeitig aber in Verlegenheit

VON MARC BEYER

München – Kurz vor Schluss griff sich James Rodriguez den Ball. Die Entfernung, 25 Meter, war für einen versierten Freistoßschützen ideal, er nahm einen kurzen Anlauf und beförderte die Kugel in einer wunderbar flüssigen Bewegung über die Mauer. Um Zentimeter segelte sie am rechten Pfosten vorbei. Ein Treffer des Kolumbianers, dessen Gemütslage immer ein Thema ist und der auch gestern erst spät eingewechselt wurde, wäre aus Münchner Sicht die Abrundung dieses Nachmittags gewesen.

4:1 besiegte der FC Bayern den VfB Stuttgart in einer Partie, die er fast ständig dominierte und in der er trotzdem einige bange Momente zu überstehen hatte. Thiago hatte die Gastgeber früh in Führung gebracht (3.), Donis aus dem Nichts ausgeglichen (26.), ehe Gentner (Eigentor/55.), Goretzka (71.) und Lewandowski (85.) doch noch für ein standesgemäßes Ergebnis sorgten. Die ganz große Zufriedenheit wollte trotzdem nicht aufkommen. Noch am erfreulichsten fand Leon Goretzka die Tatsache, dass die fragile Phase Mitte der ersten Halbzeit letztlich folgenlos blieb: „In der Hinrunde hätten wir vielleicht unentschieden gespielt.“ Nach dem 1:0 habe man „komplett den Faden verloren“, warum auch immer, befand Joshua Kimmich. „Da fehlt die Dominanz, klar zu zeigen, dass wir gewinnen wollen.“

Dabei war der Anfang in dieser Hinsicht vielversprechend gewesen. Die Führung fiel zu einem Zeitpunkt, als sich die Staus rund um die Arena noch nicht aufgelöst hatten, bereits nach drei Minuten schloss Thiago eine Kombination über den starken Coman, Müller und Lewandowski präzise ab. Alles schien bereitet zu sein für ein Schützenfest, wie es am Vortag die Dortmunder gegen Hannover gefeiert hatten. Die Gäste, als Tabellen-16. angereist, agierten fahrig und völlig überfordert von dem Szenario eines frühen Rückstandes. Schon auf dem Weg Richtung Mittelfeld verloren sie den Ball mehrfach mit fast slapstickhaftem Ungeschick.

Den Bayern war es nur recht. Ihre Stafetten wirkten dominant und leichtfüßig wie an der Spielekonsole, beinahe genüsslich ließen sie den Gegner ins Leere laufen und kamen zu weiteren hübschen Gelegenheiten für Kimmich (8.) und Goretzka (17.). Es gab aber auch in dieser Phase schon Szenen, die weniger souverän anmuteten. Mitte der ersten Halbzeit spielten sich Neuer und Hummels die Kugel hin und her, der Torwart lupfte sie lässig über einen heranstürmenden Stuttgarter, ehe Hummels dem Spaß ein Ende bereitete und den Ball unprätentiös nach vorne drosch.

Für solche Spielchen war es arg früh und die Führung zu dünn. Wenig später war sie ganz dahin. Die Stuttgarter unterbanden einen Bayern-Angriff und konterten über Gentner und Donis, der aus 25 Metern exakt in den Winkel traf. Angesichts der drückenden Münchner Überlegenheit war das ein ebenso schmerzlicher wie überflüssiger Dämpfer. Gleichwohl waren die Bayern in dieser Phase sogar noch gut bedient, denn Donis hätte bald darauf sein zweites Tor erzielen können, scheiterte aus der Nahdistanz aber an Neuer (33.).

Das schien ein Weckruf zu sein für den Favoriten. Mit etwas Glück und nur ein wenig mehr Präzision bei den Großchancen von Coman (37., 44.) hätten sie bereits mit einer Führung in die Pause gehen können, holten das Versäumte aber nach dem Wechsel umgehend nach. Nach einem enormen Durcheinander vor dem Tor lenkte Gentner einen Schuss des eingewechselten Gnabry ins eigene Netz (55.).

Als dann auch noch Gonzalez am Pfosten scheiterte (64.), war die letzte VfB-Chance dahin. Dass Lewandowski per Elfmeter ebenfalls nur Aluminium traf (65.), fiel nicht ins Gewicht, weil wenig später VfB-Keeper Zieler unter einem Kimmich-Eckball hindurchgriff und Goretzka das 3:1 ermöglichte. Auch Lewandowski kam fünf Minuten vor Schluss noch zu seinem Tor. Nur James Rodriguez muss sich weiter in Geduld üben. Bei Einsatzzeit und Torjubel.

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