Sechs für Tokio

von Redaktion

Der DAV bereitet sich auf 2020 vor – dann ist Klettern erstmals olympisch

VON CHRISTOPHER MELTZER

München – In der Kletterhalle Freimann sitzt Alexander Megos in einem Konferenzraum und lacht. Vor ihm liegt ein großes Blatt Papier, auf das er im Comic-Stil einen Mann gemalt hat. Megos dreht das Papier um, lacht wieder. „Wahrheitsgetreu“, sagt er und kichert, „man kann ihn nicht vom Original unterscheiden.“ Der Mann, den Megos gemalt hat, soll Yannick Flohé sein, einer der besten Kletterer in Deutschland. Sie haben den Tag zusammen im Konferenzraum verbracht mit zwei anderen Kletterinnen, mit dem Bundestrainer und der Bundestrainerin, mit einem kleinen Team des Deutschen Alpenvereins (DAV). Sie haben Sushi gemacht, sich gegenseitig gemalt – und ganz nebenbei haben sie dann auch noch ein bisschen darüber gesprochen, wie das eigentlich klappen könnte mit der Qualifikation für Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

An diesem Tag in Freimann, der nun schon zwei Wochen zurückliegt, hat sich erstmals eine kleine Gruppe getroffen, die sich „Olympia-Fokusteam“ nennt. Sie soll sich vorbereiten für eine Herausforderung, die die internationale Kletterszene aufmischt, weil es sie noch nie gegeben hat: Olympia, das größte Sportfest der Welt. In Tokio dürfen die Kletterer zum ersten Mal mitmachen. Doch die Aufnahmebedingungen sind streng: Nur 20 Männer und 20 Frauen dürfen in Japan klettern – sieben qualifizieren sich bei der WM im August, sechs danach bei einem speziellen Wettkampf, die anderen bei Kontinentalmeisterschaften. Und es wird noch strenger: Nur zwei Athleten sind pro Nation und Geschlecht zugelassen. Der DAV hat vier Männer und zwei Frauen in seinen Perspektivkader aufgenommen (siehe Kasten), vier könnten es also schaffen – im Glücksfall.

Im Konferenzraum in Freimann sitzt Urs Stöcker und erzählt. Vor knapp zwei Jahren hat der DAV den Schweizer zum Bundestrainer berufen – und ihn mit einer besonders kniffligen Aufgabe betreut. Er soll nicht nur vier fähige Kletterer für Tokio finden, sondern diese gleichzeitig auf einen neuen Wettkampftyp vorbereiten. Es ist nämlich so: Ihre olympische Premiere müssen die Kletterer mit einem neuen Format bestreiten, das sich Olympic Combined nennt und die drei Disziplinen Speed, Bouldern und Lead in einem Gesamtergebnis wertet. Im vergangenen Jahr also hat Stöcker alle vielversprechenden Kletterer in Deutschland beobachtet – und ist schließlich zu dem Fazit gekommen, dass „viele im Haifischbecken Weltcup nicht bestehen können“. Für seine olympische Mission hat er die besten Sechs ausgewählt. Die Zeit aber drängt, bald schon werden die ersten Olympia-plätze vergeben. Stöcker sagt: „Wir müssen beim nächsten Aufschlag schon bereit sein.“

Einer, auf den er seine Hoffnungen setzt, ist der Erlanger Alexander Megos, 25, was erstaunlich ist, weil dieser seit Jahren fast keine Wettkampf klettert. Am Fels, wo es den Formatzwang der Verbände nicht gibt, gehört er zu den Besten der Welt. Er hat sich dann aber doch von der „großen Chance“ locken lassen, wie er die Olympischen Spiele nennt. Und weil er im Bouldern und vor allem beim Leadklettern zur Elite gehört, rechnet er sich gute Chancen für Tokio aus. Das gilt übrigens auch für Jan Hojer, der seit Jahren in der Weltspitze mitmischt.

Die anderen vier, das gibt Urs Stöcker gerne zu, werden es schwer haben. Der Bundestrainer lässt aber nichts unversucht. Er hat Danilo Boldirew, den früheren Weltmeister aus der Ukraine, eingeladen, um die ungeliebte Speed-Disziplin zu pushen. Und er hat einen Mentaltrainer eingekauft: Kai Engbert, der die deutschen Skispringerinnen 2014 auf ihre ersten Olympischen Spiele vorbereitete – und dann gleich miterlebte, wie Carina Vogt Gold holte.

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