von Redaktion

VON GÜNTER KLEIN

Deutschland wurde 1990 und 2014 Fußball-Weltmeister – und Zehntausende Fans begleiteten die Nationalmannschaft durch das Turnier.

1990 in Italien war das eine gemütliche Sache. Das DFB-Team hatte sein Stammquartier in Erba, von dort war es eine Busstunde nach Mailand, wo es alle Spiele bis einschließlich des Viertelfinals bestreiten konnte. Erst danach musste Teamchef Beckenbauers Kader richtig reisen. Nach Turin und zum Finale nach Rom. Ein paarhundert Kilometer auf der Straße, ein Flug – das war alles. Auch für die Fans, die sich an den deutschen Spielplan hielten.

24 Jahre später hatte das WM-Turnier eine andere Dimension. Brasilien, das Land, in dem Bundestrainer Joachim Löw „eine Urgewalt“ verspürte, zwang zu einer großen Rundreise, auf der man die Ausprägungen des südamerikanischen Winters kennenlernte. Von trockener 35-Grad-Mittagshitze in Fortaleza bis hinunter zu 5 Grad in Porto Alegre. Die Deutschen spielten in Salvador, Fortaleza, Recife, Porto Alegre, Belo Horizonte und zweimal in Rio de Janeiro.

Alles nur per Flugzeug zu erreichen, Salvador war mit einer Entfernung von 700 Kilometer der nächstgelegene Spielort zum Campo Bahia, dem legendär gewordenen DFB-Domizil am Meer. Schon um zum Flughafen von Porto Seguro zu kommen, war nicht nur eine Busfahrt, sondern auch das Übersetzen mit einer Fähre erforderlich. Und wenn ein Spieler zur Röntgenuntersuchung ins Krankenhaus musste, wurde der Hubschrauber geordert.

Für alle, die Brasilien miterlebten, waren es Wochen voller Erlebnisse, Freude, Lebenslust, Unvergesslichkeit. Doch das permanente Reisen sorgte auch für Stress. Für die Menschen. Und fürs Klima. Mobilität ist ein Klimakiller. Und der moderne Sport erfordert immer mehr an Mobilität. Wobei die nur ein Faktor ist, der zum Klimawandel beiträgt.

Der Deutschlandfunk, bekannt für seine hintergründige Sportberichterstattung, ist in das Thema „Endspiel ums Klima – Welchen Beitrag leistet der Sport?“ gar mit einer achtteiligen Serie eingestiegen (sie läuft noch bis 17. Februar). Es geht dabei nicht nur um die Belastungen, die der Fußball als Weltsportart Nummer eins mit immer größer werdenden und neuen Formaten schafft. Zitiert wird der Fechter Max Hartung, der erzählt, dass er für seine Turniere zehnmal jährlich in andere Länder fliegen muss: „Der Airport Düsseldorf fühlt sich an wie eine Durchgangsstation.“

Der Sportphilosoph Gunter Gebauer erklärt, dass der Sport mit seiner Expansion ja eigentlich nur den hehren Geboten von Baron de Coubertin, dem Begründer der neuzeitlichen olympischen Bewegung, folge: „,All games, all nations.’ Das heißt, alle sollen daran teilhaben. Und jetzt, wo es diese große Flugmobilität gibt, ist auch eine Vielfliegerei mit vielen Miles so etwas wie eine Auszeichnung dafür, dass man zum Jetset des Sports gehört.“

Zur Maßeinheit ist der CO2-Fußabdruck geworden, den man hinterlässt. Patrick Fortyr von der Bonner Klimaschutzberatung CO2OL errechnete für den Deutschlandfunk die Hinterlassenschaft von 400 000 Stadionbesuchern an einem durchschnittlichen Bundesligaspieltag durch Transport und Konsum. Der Wissenschaftler kam auf 7753 Tonnen CO2. Um das klimatechnisch zum kompensieren, müssten 60 000 Bäume gepflanzt werden. Hauptverursacher von Schadstoff ausstoß ist das Auto: 70 Prozent der Zuschauer kommen motorisiert.

Was die Mannschaften betrifft: 80 Prozent fliegen. Die kurze und schonende Reise gilt als Zeichen von Professionalität. Auf diese Möglichkeit zu verzichten, würde die Erfolgsaussichten mindern. Fliegen ist einfach üblich. Es ging ein Raunen durch Deutschland, als die Nationalmannschaft während des Confederations Cup 2005 einmal die Strecke Frankfurt – Köln mit dem ICE zurücklegte. Anlass in diesem speziellen Fall war freilich auch: DFB und Deutsche Bahn hatten einen Werbevertrag abgeschlossen, jeder Nationalspieler erhielt eine BahnCard100 zur freien Fahrt in der 1. Klasse. Gebrauch gemacht wurde davon in der Regel nur, wenn das DFB-Team nach einem Auswärtsländerspiel in Frankfurt landete und die Spieler und Trainer nahe Ziele hatten (wie Stuttgart oder Nürnberg). Grundsätzlich: Die Branche fliegt lieber.

Doch Fliegen hat die schlechteste Öko-Bilanz. Beispiel bei einer 600-km-Reise: Bus 65 Kilo, Bahn 95 kg, Pkw 210, Flugzeug 273 kg CO2-Emission pro Teilnehmer.

Dabei ist es nicht so, dass die Clubs kein Umweltbewusstsein entwickeln würden. Elf der 18 Erstligisten sind in ihren Stadien bei den Getränkebechern auf ein Mehrwegsystem umgestiegen, die überwiegend neuen und renovierten Arenen haben Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern, der FC Bayern spielt einmal pro Saison in einem Trikot, das aus Ozeanmüll hergestellt wurde. Der VfL Wolfsburg richtete rund um sein Stadion Ladestationen für E-Autos und E-Bikes ein, stellte auf Recyclingpapier um, nutzt Wasser aus dem nahen Mittellandkanal zur Pflege seiner Plätze und setzte beim Flutlicht moderne LED-Lampen ein, die 12 Prozent weniger Energie brauchen und eine Haltbarkeit von 50 000 Betriebsstunden (zuvor 3000) haben. Der FSV Mainz 05 setzt Shuttlebusse ein, um seine Fans zum Stadion zu bringen, für die Reisen zu Auswärtsspielen organisierte er Bahnfahrten, um den Individualverkehr der Fans einzuschränken. Mainz nannte sich „erster klimaneutraler Bundesligist“. und um das Prädikat zu rechtfertigen, wurden Waldaufforstungsprojekte in Kanada finanziell unterstützt. Seit der FSV 05 kein Energieunternehmen mehr im Sponsorenpool hat, wurden laut Deutschlandfunk diese Initiativen allerdings zurückgefahren. Die Deutsche Umwelt-Hilfe, treibende Kraft in den derzeitigen Diskussionen, stellt fest, dass ein Fußballverein nicht CO2-neutral sein kann: „Er verbraucht Energie, Wasser; Abfall fällt an.“ Der Slogan solle halt Aufmerksamkeit erzeugen.

Zur trotz allen Bemühungen schlechten Klimabilanz in Deutschland trägt auch der Breitensport bei. Sein jährlicher Fußabdruck entspricht dem, den sechs Großstädte hinterlassen. Problematisch sind die Sportanlagen, zwei Drittel von ihnen gehören der kommunalen Hand, und die hat oft kein Geld. Stichwort Sanierungsstau: 31 Milliarden Euro wären laut Deutschem Olympischen Sport-Bund (DOSB) nötig, um die Hallen und Stadien auf Vordermann zu bringen – auch klimatechnisch.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich Nachhaltigkeit in sein Konzept geschrieben, es will davon abkommen, dass überall neue Sportanlagen aus dem Boden gestampft werden und die Umwelt verschandelt wird. Speziell für Winterspiele ist es schwierig geworden, Austragungsorte zu finden.

Der Fußball kann sich über diesen Mangel an Interessenten nicht beklagen. Nächstes Turnier ist die Europameisterschaft 2020. Sie wird in zwölf Ländern stattfinden, über den Kontinent verteilt. Es wird ein Hin- und Herreisen wie 2014 in Brasilien sein.

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