Karl-Heinz Rummenigge fordert mal wieder etwas. Er hat als Vorstandschef des FC Bayern schon so viel gefordert, dass viele gar nicht mehr so genau hinhören. Jetzt aber sollten sie zumindest kurz aufhorchen. In der neuen Ausgabe der „Sportbild“ findet man nämlich ein Interview mit Rummenigge – und schon in der Überschrift steht in fetten Buchstaben seine neueste Forderung: „Champions League muss zurück ins Free-TV!“ Wer weiterliest, entdeckt den Satz: „Dies ist im Interesse der Fans, und das müssen wir stärker berücksichtigen.“ Das klingt so, als ob Rummenigge die deutschen Fußballfans versteht, als ob er sogar bereit ist, sich für sie einzusetzen. Nur: Wer bitte soll ihm das glauben?
Seit ein paar Monaten ist mit der Champions League das Premiumprodukt des europäischen Vereinsfußballs hinter die Bezahlschranken der deutschen TV-Sender verlegt worden, vorerst bis 2021. Das hat Folgen: Die Fans werden ärmer, die Vereine reicher – und Letzteres beschreibt ziemlich genau jenes Ziel, für das Karl-Heinz Rummenigge seit vielen Jahren kämpft.
Jetzt, da er sich aber plötzlich als Anwalt der Fans aufspielt, sollte man ihn vielleicht daran erinnern, was er in den vergangenen Jahren so zum Thema TV-Einnahmen gesagt hat. Zum Beispiel 2005: „Es liegt nun verdammt nochmal an der Liga, dass mehr Kohle reingeholt wird.“ Oder 2007: „Wir müssen zusehen, dass die Bundesliga international wieder konkurrenzfähiger wird. Dafür brauchen wir mehr Geld vom Fernsehen.“ Oder auch 2018: „Die wichtigsten Player sind noch gar nicht im Spiel. Die amerikanischen Unternehmen wie Apple, Amazon, Netflix, die kommen alle noch. Denn für diese Unternehmen ist es doch nicht entscheidend, ob das Recht 500 Millionen oder eine Milliarde Euro kostet.“ Zu den TV-Geldern ergänzte er damals: „Sie werden explodieren!“
Natürlich hat der Geschäftsmann Rummenigge gewusst, dass seine Geld-Geld-Geld-Kampagne den Fußball zwangsläufig ins Pay-TV drängt. Von 2008 bis 2017 führte er die mächtige European Club Association als Vorsitzender an, im europäischen Fußball war er der Lobbyist der Superreichen, der Lobbyist des Geldes. Er hat geholfen, jenen Zustand zu erschaffen, den er jetzt beklagt – was zu der Frage führt, was ihn jetzt plötzlich antreibt?
Man sollte sich daher noch zwei Sätze aus dem „Sportbild“-Interview anschauen. Rummenigge sagt: „Die Sponsoring-Verträge in der Champions League sind auch sehr gut dotiert. Die werden aber bei einem Zuschauerrückgang von 84 Prozent in Deutschland nicht mehr ausreichend bedient.“ Aha. Wenn Rummenigge in der Free-TV-Debatte nun die Sicht der Fans vorträgt – man könnte auch sagen: vorheuchelt –, geht es ihm vor allem auch um die Sponsoring-Verträge. Also: ums Geld.
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