Augsburg – Reece Oxford wird am Freitag (20.30 Uhr, Eurosportplayer) in der Innenverteidigung des FC Augsburg spielen. Gegen den FC Bayern, gegen Robert Lewandowski, den Münchner Mittelstürmer und den Mann, der im Zentrum eines Meinungsstreits steht zwischen dem Sky-Experten Dietmar Hamann und dem Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
Davon hat Reece Oxford aber gar nichts mitbekommen – als vermutlich einziger Mensch im Bundesligabetrieb. „Was war da?“, fragt Oxford interessiert, lässt sich die Geschichte erzählen und bildet sich dann schnell ein Urteil: „Die Statistiken sagen doch alles aus über Lewandowski, und hat er nicht getroffen am vergangenen Wochenende? Ich glaube, dass es keinen Grund gibt, ihn zu kritisieren.“
Es ist zum einen die Sprachbarriere, die den Engländer Reece Oxford von der Lewandowski-Diskussion getrennt hat, doch es war auch der Ablauf der vergangenen Tage voller Veränderungen und einschneidender Erlebnisse. Am 30. Januar nahm Reece Oxford die Gespräche über einen Wechsel von West Ham United zum FC Augsburg auf, am 31. Januar, auf den letzten Drücker, erfolgte der Transfer auf Leihbasis und für ein halbes Jahr. Zum Einstand in Augsburg erlebte Oxford die Turbulenzen, die die Berufung von Jens Lehmann als Co-Trainer brachte (zuvor noch die Suspendierungen der Spieler Caiuby und Hinteregger), er gewann einen guten Eindruck von seinem neuen Team als Einwechselspieler gegen Mainz (3:0), war bester Mann beim duseligen 1:0-Pokalsieg in Kiel und schwach beim 0:4 in Bremen. Reece Oxford ist erst 20 – und doch liegt schon viel Verantwortung auf ihm in diesem deutschen Abstiegskampf, in den er hineingeraten ist. Er ist der Hinteregger-Ersatz und ja auch eine heiße Aktie im internationalen Fußball.
Oxford – was für ein Name. Er hört das öfter. Die Leute denken sofort an die Stadt, die so heißt, an die weltberühmte Uni. „Als ich in Augsburg in die Kabine kam“, erzählt er, „haben mich die neuen Kollegen auf das Oxford Dictionary angesprochen.“ Der Schulbuchklassiker, das Lexikon, das englische Begriffe auf Englisch umschreibt – damit’s nicht gar so einfach ist wie das zweisprachige Wörterbuch.
Jens Lehmann, Augsburgs Trainer-Assistenten, hat er noch als Torwart beim FC Arsenal in Erinnerung. „Ich habe nicht so viele Spiele gesehen, aber ich war Arsenal-Fan. Lehmann war und ist eine Legende.“ Mit ihm hatte er schon einige Eins-zu-eins-Lektionen, um in das Defensivsystem des FCA eingeweiht zu werden.
Reece Oxford bestritt sein erstes Premier-League-Spiel mit sechzehneinhalb Jahren für West Ham United gegen ausgerechnet Arsenal, er war und ist der jüngste Spieler in der Geschichte des Vereins bei seinem Debüt als Profi. Er rauschte durch die englischen U-Nationalmannschaften, U 16 bis derzeit U 20, doch im Männerfußball ist seine Karriere ins Stocken geraten. West Ham begann, ihn in andere Teams zu verschieben; in die eigene U 23, zum FC Reading, ein halbes Jahr nach Mönchengladbach. Die Borussia wollte ihn kaufen, West Ham ließ sich darauf aber nicht ein.
Widersprüchlichkeit begleitet Reece Oxfords Werdegang: Er gehört zu einer Generation, bei der der englische Verband, die FA, in der Ausbildung vieles richtig macht, das Mutterland des Fußballs produziert jetzt wieder mit die besten Spieler weltweit. Gleichzeitig hat die Durchlässigkeit zur Premier League nachgelassen. Reece Oxford erklärt es sich so: „Es ist in England viel Geld im Spiel, das erhöht den Druck auf die Manager, sie werden schneller entlassen, also trauen sie sich nicht, junge Spieler einzusetzen.“ Nach Deutschland ist er – bei aller Wertschätzung für die Bundesliga und deren Spielstil und die schönen Stadien – „wegen der Spielpraxis gekommen“. Wie seine Freunde Jaden Sancho (Dortmund) und Reiss Nelson (Hoffenheim). „Wir sind ständig in Kontakt und haben als Ziel, zusammen in der Nationalmannschaft zu spielen.“ Oxford wurde in Augsburg wohl zugesagt, dass er auf seiner Lieblingsposition wirken könne: Central back, wie er sagt, Innenverteidiger. Neben ihm: Kevin Danso. Österreicher, aber in England aufgewachsen. „Im U-Bereich haben wir gegeneinander gespielt.“ Nun sind Danso/Oxford die jüngste Innenverteidigung der Bundesliga.
Reece Oxford mit seinen 20 Jahren findet, „dass ich nun alt genug bin, um alleine zu leben.“ Trotzdem freut er sich, „dass meine Mutter zu allen Heimspielen kommen will“. Am Freitag, um zu sehen, wie ihr Sohn mit diesem Lewandowski fertig wird, über den alle reden.