Seefeld – Wahrscheinlich hat Eric Frenzel diesen besonderen Ort gebraucht, um zu sich selbst zurückzufinden. Seefeld hat den Sachsen mit sagenhaften 13 Weltcupsiegen zu einem der weltbesten Nordischen Kombinierer gemacht. Nun ist er also in Seefeld auf den Thron zurückgekehrt. Im ersten WM-Wettkampf der Skizweikämpfer bescherte er dem deutschen Team gleich Gold.
Und dieser Premierentitel ist auch das erste große Märchen dieser 52. Nordischen Skiweltmeisterschaft. Denn Frenzel hatte noch nicht einmal Frenzel so recht auf der Rechnung gehabt. „Ich habe in den letzten Wochen schon ein bisschen den Glauben verloren“, sagte der 30-Jährige, „das ist für mich absolut unfassbar, dass das so aufgegangen ist.“
Am letzten Anstieg des 10-Kilometer-Laufs hatte Frenzel seine hartnäckigsten Widersacher Jan Schmid (Norwegen) und Franz-Josef Rehrl (Österreich) mit einem unwiderstehlichen Antritt überrumpelt. Und sogar der erfolgsverwöhnte Bundestrainer Hermann Weinbuch hatte Tränen in den Augen, als er sich vor dem „König von Seefeld“ verneigte. „Das war der Auftritt eines Champions“, sagte er.
Der 30-Jährige hat eine holprige Saison im Weltcup hinter sich. Statt zum Weltcup nach Lahti zu reisen. hatte er sich deshalb mit Heimtrainer Frank Erlbeck nach Planica zurückgezogen. Ein letzter verzweifelter Versuch, um diesen Fehler abzuschütteln, der ihn in den Sprungwettbewerben immer viel zu früh in den Schnee zurück beförderte. Bis zum allerletzten Training am Donnerstag wies nicht viel darauf hin, dass diese Auszeit ihn entscheidend vorangebracht haben könnte. Wie alle Deutschen sprang er auf dem Bergisel bis zu zehn Meter hinter den beherrschenden Österreichern um Franz-Josef Rehrl her. Und hatte doch das Gefühl, irgendwie nahe dran zu sein: „Es fehlt nicht viel, vielleicht geht der Knopf im Wettkampf auf.“
Es war sicher auch eine Portion Glück, dass er dann am Freitag tatsächlich genau die Aufwind-Bedingungen erwischte, der er gebraucht hatte, um in die Flugposition zu kommen, die ihn letztlich völlig überraschend auf die Tageshöchstweite von 130,5 Metern trug. Doch auch Weinbuch wollte das nicht als Makel sehen. „Diese Bedingungen haben auch andere gehabt, aber die haben das nicht genutzt“, sagte er, „aber so ist der Eric: Wenn er eine Chance sieht, dann beißt er zu.“
Mit seinem nun sechsten WM-Titel zog Frenzel auch mit Rekord-Champion Johannes Rydzek gleich. Der Mann, der 2017 in Lahti gleich vier Titel abgeräumt hatte, war seine Chancen diesmal schon zur Halbzeit los. Mit 117,5 Metern handelte er sich auf der Schanze einen Rückstand von 1:12 Minuten ein. Und dieses Handicap war dann doch eine Nummer zu groß. Der Oberstdorfer rannte beherzt und halbierte den Rückstand, doch mehr als Platz neun war am Ende nicht mehr drin. „Ich habe mich beim Laufen gut gefühlt“, sagte er, „aber es war für mich ein bisschen ein einsames Rennen, schade.“
Aber wer weiß, vielleicht kann Rydzek sich ja schon am Sonntag schadlos halten. In den Team-Sprint (10.30/13.30 Uhr) nehmen die DSV-Asse nun natürlich den Rückenwind der ersten Goldmedaille mit. Wobei der Bundestrainer erst am Samstag entscheiden wird, wer ins Rennen gehen darf. Rydzek, der diesmal Siebtplatzierte, Fabian Rießle oder doch Frenzel? Der Champion kann sich seiner Sache nicht sicher sein. „Er ist auf der Schanze noch nicht stabil“, sagte Weinbuch. Auch für einen Weltmeister kann die Realität hart sein.