Eisenbichler: Plötzlich Topfavorit

von Redaktion

Siegsdorfer als Nummer eins ins WM-Springen

VON PATRICK REICHELT

Seefeld – Natürlich liegt die Frage auf der Hand, die Frage nach der Gefühlslage beim Abschied. Doch Werner Schuster will von ihr noch nichts wissen. Die Weltmeisterschaft in Seefeld ist nicht der Platz, um sentimental zu werden. Der Bundestrainer der deutschen Skispringer hat noch Pläne, für seine letzten Titelkämpfe im Amt. Ein, zwei Medaillen, darauf hat er sich festgelegt, sollen es schon sein. Gerne schon an diesem Wochenende, wenn am Innsbrucker Bergisel die Titel von der Großschanze (Samstag, 14.30 Uhr) und im Team (Sonntag, 14.45 Uhr) vergeben werden.

Die Hoffnung ist berechtigt. Und dass das so ist, hat vor allem mit Markus Eisenbichler und Karl Geiger zu tun. Das Top-Duo des Weltcups in Willingen bestimmte schon die Trainingseinheiten mit. Und die beiden beherrschten auch die Qualifikation am Freitag. Geiger lieferte mit 131,5 Metern die Tageshöchstweite – und musste als Zweiter doch Eisenbichler den Vortritt lassen, der es mit geringerem Anlauf auf 128,5 Meter brachte. Doch die Plätze eins und zwei machten Laune. „Das wird ein geiles Match“, sagte Geiger.

Viele hatten damit gerechnet, dass Andreas Wellinger am ersten WM-Wochenende erst einmal nur die Zuschauerrolle bleibt. Doch nach den Trainingseindrücken nahm Schuster für den Einzelwettbewerb nicht Wellinger, sondern den soliden Stephan Leyhe aus dem Aufgebot. Das ist schon ein gewisses Risiko, auch wenn die Formkurve des zuletzt beharrlich schwächelnden Münchners in diesen Tagen zart nach oben zeigte.

Man könnte es als Verbeugung vor den Erfolgen in den letzten Jahren sehen. Noch mehr aber als die leise Hoffnung auf Wellingers Gen für Großereignisse. Auch zu den Olympischen Spielen in Pyeongchang war der 23-Jährige nicht unbedingt als Topfavorit gereist und holte doch prompt in beiden Einzelspringen Edelmetall. „Der Andi Wellinger weiß, wie man Medaillen gewinnt“, sagte Schuster, „er hat jetzt noch einmal zwei Tage die Chance, sein Können zu zeigen.“ Die Botschaft klingt durch: Liefert der 23-Jährige am Samstag nicht ab, findet das Teamspringen ohne ihn statt. In der Qualifikation setzte er wie Richard Freitag bei 119,5 Metern auf. Die Plätze 14 und 15 – es ist weiter reichlich Luft nach oben.

Solche Gedanken muss sich gerade Markus Eisenbichler naturgemäß nicht machen. Der Siegsdorfer ist wie Geiger auch für die Mannschaft gesetzt, die dem scheidenden Bundestrainer zu gerne die noch fehlende WM-Goldmedaille bescheren würden. Das war nicht immer so, vor einem Jahr in Pyeongchang hatte sich Eisenbichler noch auf dem Schleudersitz befunden. Dass es nun anders ist – für den Bundestrainer ist das nur eine logische Entwicklung. „Wenn Markus einen guten Sprung erwischt, dann ist er der Allerbeste“, betonte Schuster, „dann kann er auch Kobayashi schlagen.“ Der japanische Überflieger der bisherigen Saison wird dem sicherlich zustimmen. Am Freitag musste sich Kobayashi mit einem Satz auf 126 Meter und Platz vier zufrieden geben.

Und wer weiß, wenn alles gut geht, wird vielleicht doch noch Sentimentalitäten in Seefeld Einzug halten. Für Eisenbichler ist der Abschied des Trainers jedenfalls schon ein Thema. „Wir haben ihm so viel zu verdanken“, sagte er, „wir werden bis zum Schluss alles für ihn geben.“

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