München – Es ist durchaus möglich, dass am Samstag gegen 17.20 Uhr auf der Anzeigetafel der Münchner Arena ein zweiter Platz bejubelt wird. Zweiter zu sein, ist beim FC Bayern normalerweise zwar so beliebt wie löwenblaue Trikots, aber in diesem Fall könnte der Anhang mal eine Ausnahme machen. Sollte das Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin gewonnen werden, wäre man punktgleich mit Borussia Dortmund. Der Tabellenführer kann erst am Sonntagabend nachlegen, in seinem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen, die momentan erfolgreichste Mannschaft der Rückrunde.
Es wird gerade wieder viel hin und her gerechnet, wesentlich mehr als in den vergangenen Wochen, als der Meister noch fünf, sechs, sieben Zähler zurücklag. Die unübersehbare Schwächephase des BVB geht einher mit einem Aufschwung der Bayern, der sich kurioserweise in der Tabelle deutlicher zeigt als auf dem Rasen. Die flatterhaften Auftritte der Defensive erregten zuletzt eine Menge Misstrauen und wurden als schlechtes Omen für die Partie beim FC Liverpool gedeutet. Seit die allerdings – als allererste in diesem Jahr – ohne Gegentor endete, macht sich im roten Lager ein Geht-doch-Gefühl breit, das nun gegen die Hertha auf die erste Bestätigung wartet.
Liverpool ist zum ultimativen Maßstab geworden, mit welcher Konzentration, Disziplin und Leidenschaft man defensiv auftreten sollte. Idealerweise, sagt Niko Kovac, setze man nach einem Ballverlust sofort nach und orientiere sich nach hinten, damit der Gegner den Eindruck habe, „uns nicht einmal, sondern am besten zehnmal ausspielen zu müssen“. In Spielen wie am Dienstag, wo es um alles (oder zumindest ziemlich viel) geht, klappt das auch. Die Kunst wird nun darin bestehen, diese Erkenntnis in den Alltag zu übertragen. „Wenn wir das in der Bundesliga machen“, weiß Kovac, „sind wir eigentlich nicht zu schlagen.“
Das sagt sich aber so leicht. Am Dienstagabend bezifferte Hasan Salihamidzic den Leistungsunterschied zwischen Liga und League auf „fünf bis zehn Prozent“. Kovac, der am Samstag sein 100. Bundesligaspiel als Trainer bestreitet, will da gar nicht widersprechen. Internationale Abende hätten „noch mal ein anderes Flair“, zudem war an der Anfield Road von Anfang klar, dass besonders die Defensive gefordert sein würde: „Gegen Liverpool muss man mehr verteidigen als zuhause gegen Hertha BSC. Da werden wir angreifen müssen.“ Die gesamte Statik des Spiels wird eine andere sein, was auch bedeutet, dass die Bayern oft in jene schnellen Umschaltsituationen gezwungen werden könnten, die ihnen zuletzt so häufig zum Verhängnis wurden.
Pal Dardai, dem Berliner Trainer, ist das nur recht. Die Rolle des Außenseiters, der sich mit gezielten Stichen wehrt, liegt ihm. Erst vor zwei Wochen in Mönchengladbach hat die Hertha mit einem 3:0-Sieg für Aufsehen gesorgt. Vor der Reise in den Süden sagt Dardai nun, man fahre „nicht nach München, nur um dort zu sein und mitzumachen. Wir wollen auch etwas mitnehmen.“
Es sind wegweisende Zeiten, in der Champions League, aber auch national. Zuhause gegen die widerborstigen Berliner und dann in Mönchengladbach, während die Dortmunder gegen Leverkusen und in Augsburg vor ähnlich komplizierten Aufgaben stehen. Schon in acht Tagen könnte die Tabelle ganz anders aussehen, und Platz zwei wäre dann kein Grund mehr zum Jubel. „Wenn wir von hinten schieben“, sagt Niko Kovac, „fängt jeder an nachzudenken.“