Bayern in der Champions League

Allerletzter Willensakt

von Redaktion

MARC BEYER

Der Mann, ohne den bei Real Madrid nichts mehr geht, trägt eine Hose, die selbst dem neuesten Trend noch weit voraus ist. Die Beine sind so hoch umgeschlagen, dass es aus der Ferne aussieht, als habe Zinedine Zidane seine Socken weit drübergestülpt, wie es früher die Kinder gemacht haben, wenn sie mit dem Rad in die Schule gefahren sind. Das Sakko wiederum hätte durchaus eine Nummer größer sein dürfen. Mit anderen Worten: Zidane ist auch modisch eine Ausnahmeerscheinung.

Es sind zwar gerade spannende Tage in der Champions League, aber für einen Moment hielt die Fußballwelt am Montag trotzdem inne und schaute gebannt nach Madrid. Auf einen Club, der in der Königsklasse nur noch Zuschauer ist. Und auf seinen neuen, alten Trainer, der für eine große Vergangenheit und eine verheißungsvolle Zukunft steht. Die trübe Gegenwart haben andere zu verantworten.

Zidane, das vergisst man leicht, ist als Trainer auf höchstem Niveau noch nicht sehr erfahren. Zweieinhalb Jahre hat er Real betreut, und so glanzvoll die Bilanz mit drei Champions-League-Titeln ausfällt, so wechselhaft war die Zeit dazwischen. Vier Monate vor dem letzten Triumph war der Verein in jedem anderen Wettbewerb gescheitert, eine alternde Mannschaft kurz vor dem Ausbrennen, geführt von einem Mann mit nur noch begrenztem Kredit. Die Königsklasse war für Spieler und Trainer die letzte Patrone.

Ganz so dramatisch war es beim FC Bayern diesen Winter nicht – allein schon, weil ihm im Gegensatz zu Real der tiefsitzende Glaube fehlt, natürlicher erster Anwärter auf den Henkelpott zu sein. Theoretisch befanden sich selbst nach dem blamablen 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf, dem Tiefpunkt der Saison, immer noch drei Titel im Rahmen des Machbaren. Doch allzu weit war man von existenzieller Not nicht mehr entfernt.

Auch in München weiß man aber, dass im Frühling Träume blühen können, auf die im Herbst und Winter noch nichts hingedeutet hat. Große Mannschaften zeichnen sich dadurch aus, im entscheidenden Moment alle Sinne geschärft zu haben. Meint man es gut mit den Bayern, kann man sagen: Jetzt zeigen sie ihr wahres Gesicht. Fünf Tore in Gladbach, sechs gegen Wolfsburg, ein Nullnull in Liverpool. Nüchterner betrachtet steht da ein Team auf dem Platz, das in den entscheidenden Monaten der Saison noch mal sämtliche Kräfte bündelt für einen allerletzten Willensakt. Klar ist: Viele Schüsse hat diese Mannschaft nicht mehr.

marc.beyer@ovb.net

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