Harter Schnitt, schwere Zeiten

von Redaktion

So reagiert 1860-Präsident Reisinger auf die kritische Bemerkung von Trainer Bierofka

VON LUDWIG KRAMMER

München – Sportlich gesehen ist die Saison gelaufen für den TSV 1860. Der Rücksturz in die Regionalliga wurde verhindert, das von Trainer Daniel Bierofka formulierte Saisonziel, oben mitzuspielen, konnten die mit dem fünfthöchsten Liga-Etat ausgestatteten Löwen nicht umsetzen. Am Stellenwert des Coaches hat dies nichts geändert; Bierofka ist das einzige blaue Element, auf das sich die beiden Gesellschafter der Fußballfirma einigen können.

Nun prescht der Unantastbare nach vorne. Nach dem 3:2 gegen Fortuna Köln sagte Bierofka wörtlich, bezogen auf die drohende Etatsenkung von 4,5 Millionen auf rund 3 Millionen Euro: „Was die allgemeine Situation betrifft, hoffe ich, dass alle in diesem Verein mal aufwachen. Sonst spiele ich nächste Saison mit einem Innenverteidiger. Das ist ein bisschen schwierig, denn dafür gibt es kein System.“ Beißende Ironie, auf die Präsident Robert Reisinger auf Anfrage mit einem ausführlichen Schreiben reagierte.

Punkt 1: Personal

„Die schwere Verletzung von Semi Belkahia ist sehr bitter für den jungen Spieler und für den Club. (…) Für die emotionale Reaktion von Daniel Bierofka in der Pressekonferenz nach der Partie habe ich vollstes Verständnis. Der Klassenerhalt war nach einer Serie von bitteren Niederlagen gerade erst in einem hochdramatischen Spiel geschafft, der gegnerische Trainer sitzt neben ihm und bricht in Tränen aus, dazu die Nachricht von der schweren Verletzung eines Talents, mit dem Bierofka in der kommenden Saison fest geplant hat. Wer in dieser Situation immer noch regungslos bleibt, wäre kein Mensch.“

Durch Belkahias Ausfall haben die Löwen in der Innenverteidigung Stand jetzt nur Felix Weber als Fixstarter für die kommende Spielzeit. Leihspieler Simon Lorenz wird mit Zweitligisten in Verbindung gebracht, Jan Mauersberger und Aaron Berzel werden keine neuen Verträge bekommen.

Punkt 2: Bierofkas Frust

„Was Bierofkas Hinweis, er hoffe, ‘dass alle in diesem Verein mal aufwachen’, betrifft, kann ich versichern, dass im Verein niemand schläft. Der sog. Konsolidierungskurs ist keine Marotte des Präsidiums, sondern der außerordentlich schwierigen wirtschaftlichen Situation geschuldet, in der sich das Unternehmen befindet. Der TSV 1860 München hat – speziell in der Abstiegssaison aus der 2. Liga – einen Schuldenberg angehäuft, der nicht wegzudiskutieren ist. Ein harter Schnitt ist unumgänglich.“

Reisinger spielt auf seinen Vorgänger Peter Cassalette an, der Hasan Ismaik und dessen Berater in der Abstiegssaison freie Hand ließ – mit bekannten Folgen.

Punkt 3: Kompetenzen

„Aus seiner subjektiven Binnenperspektive heraus kann ich Bierofkas Wunsch nach freiem Handeln in Vertragsangelegenheiten nachvollziehen. Die Gesellschafter müssen dagegen zusehen, dass das Unternehmen Profifußball beim TSV 1860 auch über diesen Zeitraum hinaus eine Perspektive hat. Wir sind im Verein dabei für vieles offen, schließen nur eines definitiv aus: neue Risikokredite aus der Hand unseres Mitgesellschafters.“

Zuletzt hatte Reisinger angedeutet, Ismaik-Darlehen bei Sofortkasse akzeptieren zu wollen. Mit der Wortwahl „Risikokredite“ stellt der den Hauptgesellschafter ins Zwielicht. Dazu hält er sich mit der Formulierung die Option offen, anderweitige Kredite zu akzeptieren.

Punkt 4: Vorschläge

„Was den kurzfristigen Planungszeitraum für die nächste Saison betrifft, haben wir als Vereinsvertreter bereits zu Jahresbeginn praktikable Vorschläge eingebracht, wie das vorhandene Budget der KGaA auf die Profimannschaft konzentriert werden kann. Unser Mitgesellschafter hat jedoch andere Vorstellungen. Das müssen wir als Verein respektieren. Für Daniel Bierofka ist das natürlich schade. Dennoch geht es weiter beim TSV 1860 München. Es ist sehr viel schwieriger, mit einem kleinen Budget zu arbeiten, das steht außer Frage, aber es ist nicht unmöglich. Die sportliche Erwartungshaltung ist entsprechend anzupassen. Aus einem schmalen sportlichen Etat kann keine Überfliegermannschaft finanziert werden. Das erwartet aber auch kaum ein Fan. Die meisten Anhänger haben ein erstaunlich gutes Gespür dafür, was realistisch ist und was nicht.“

Reisinger verweist auf die Vorschläge, das Nachwuchsinternat, die U 23 und U 19 dem e.V. zu übertragen, um die Kosten der Profi-KGaA zu senken. Ismaik hat dies kategorisch abgelehnt..

Punkt 5: Perspektive

„Mittelfristig wird sich der Profifußball beim TSV 1860 München finanziell breiter aufstellen müssen. Die Chancen und das Risiko sollten auf mehr Schultern verteilt sein. Dafür sind aber erst die Voraussetzungen zu schaffen.“

Reisinger befürwortet eine Kapitalerhöhung und den Einstieg eines weiteren Gesellschafters. Ismaik wird dies kaum akzeptieren. Der Investor hofft vielmehr darauf, dass Reisinger bei der Präsidiumswahl am 30. Juni durchfällt und auf Sicht ein Präsident namens Saki Stimoniaris den e.V. anführt.

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