Nette Nachbarn und Minuten-Meister

von Redaktion

Der FC Bayern hatte 1972 seine erste spannende Titel-Entscheidung, die bisher letzte 2009

VON ELISABETH SCHLAMMERL

München – Der FC Bayern hat Erfahrung mit spannenden Meisterschafts-Finals. Meistens triumphierten die Münchner. Und, das spricht nicht für Dortmund am Samstag, stets, wenn sie vor dem 34. Spieltag vorne lagen.

28. Juni 1972: Der Spielplan hatte den Fans ein richtiges Finale beschert. Der Tabellenzweite Schalke 04 musste am letzten Spieltag beim Spitzenreiter antreten, die beiden Teams trennte nur ein Punkt – aber beim ersten Auftritt im neuen Olympiastadion war es dann eine kleine Fußball-Welt. Johnny Hansen, der bescheidene Däne, brachte die Bayern nach einer halben Stunde in Führung. Paul Breitner erhöhte noch vor der Pause auf 2:0. Der Anschlusstreffer von Klaus Fischer fiel fast aus dem Nichts, ehe die Tore von Willi Hoffmann, Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer alle Zweifel beseitigen. Der Favorit gewann mit dem 5:1 gegen Schalke seinen dritten Meistertitel nach 1932 und 1969.

26. April 1986: Der Bayern hechelte fast die gesamte Saison hinter Werder Bremen her. Am 33. Spieltag hätten die Norddeutschen im direkten Duell mit einem Sieg gegen den Verfolger aus München alles klar machen können, aber das Spitzenspiel endete 0:0 – weil Michael Kutzop in vorletzter Minute einen Elfmeter gegen den Pfosten trat. „Pfaff (der Münchner Torwart) lag eigentlich schon in der Ecke, und ich hatte wirklich genug Zeit, den Ball ins Tor zu setzen“, sagte der Bremer Abwehrspieler. Am letzten Spieltag reichte Bremen ein Punkt beim VfB Stuttgart, die Bayern mussten daheim gegen Gladbach gewinnen. Die Fans beider Titelanwärter per hatten Kofferradios mitgebracht, um sich über das Geschehen im jeweils anderen Stadion zu informieren. Als Karl Allgöwer in Stuttgart das zweite Tor gegen Bremen erzielte, war in München fast schon alles gelaufen, es stand 3:0. Am Ende gewann der FC Bayern 6:0. Im Neckarstadion fiel noch ein Treffer für den VfB. „So viel Glück auf einem Haufen, das muss man erst verkraften“, sagte der damalige Schatzmeister Kurt Hegerich. Ach ja, Dank gab es keinen für die Schwaben. Im Pokalfinale eine Woche später vermöbelten die gierigen Bayern die Stuttgarter mit 5:2 und sicherten sich das Double.

15. Juni 1991: Die Bayern mussten erfahren, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Wie fünf Jahre zuvor lagen sie vor dem letzten Spieltag mit zwei Punkten Rückstand auf Platz zwei, dieses Mal hinter dem 1. FC Kaiserslautern. Aber die Pfälzer erledigten ihre Aufgabe. Sie führten beim 1. FC Köln nach 45 Minuten bereits 4:1, am Ende hieß es 6:2. Angesichts der Kunde aus dem Rheinland verlor der Rekordmeister mit Trainer Jupp Heynckes gegen Uerdingen die Motivation – und spielte nur 2:2.

20. Mai 2000: In jener Saison spielten die beiden Nachbarclubs eine nicht unbedeutende Rolle im Meisterkampf. Weil der TSV 1860 am 30. Spieltag auch das zweite Duell mit den Roten gewann, verlor Bayern die Tabellenführung an Bayer Leverkusen. Mit drei Punkten Rückstand gingen die Münchner auf die Zielgerade. Zum finalen Showdown empfing der Titelverteidiger Werder Bremen, Leverkusen musste bei der SpVgg Unterhaching antreten – und durfte nicht verlieren Im Münchner Olympiastadion stand es bereits nach 16 Minuten 3:0. 20 Kilometer entfernt tat sich Bayer schwer, die Chance auf die erste Meisterschaft war mehr Bürde als Freude In der 20. Minute traf Michael Ballack ins Tor, allerdings ins eigene. Leverkusen lag 0:1 zurück, Im Olympiastadion gab es lautes Gemurmel, viele hatten wie 1986 ein kleines Radio mitgebracht. Kurz darauf stand es dann auf der Anzeigentafel. Trainer Ottmar Hitzfeld ballte die Faust. Fortan, stellte er fest, sei es ein „sehr seltsames Spiel gewesen“, weil seine Profis „mit einem Ohr nach draußen horchten“. Kurz nachdem Markus Oberleitner das 2:0 für Haching erzielt hatte, saß im Olympiastadion niemand mehr. Ehrengäste bei der Titelparty in der „Alten Gärtnerei“ in Taufkirchen war die Unterhachinger Mannschaft. Als sie kurz vor Mitternacht auftauchte, begrüßte Hasan Salihamidzic jeden Spieler per Handschlag.

19. Mai 2001: Dieses Herzschlagfinale brachte einen „Meister des Herzen“ und einen Meister, der am Ende die Schale bekam, hervor. Drei Punkte lagen die Bayern vor Schalke, als dieser 34. Spieltag angepfiffen wurde. Die Königsblauen empfingen Haching, die Münchner traten in Hamburg an. In der 89. Minute war Bayern Meister, in der 90. dann Schalke. Sergej Barbarez traf für den HSV zum 1:0. Im Parkstadion war bereits Schluss, 5:3 hatte Schalke gewonnen. Alle warteten auf den Abpfiff in Hamburg. Dort ließ Schiedsrichter Markus Merk etwas nachspielen. Dann spitzelte Tomas Ujfalusi den Ball zurück, Torwart Matthias Schober nahm ihn auf – und es gab indirekten Freistoß, die letzte Chance. Stefan Effenberg schickte Patrick Andersson nach vorne, „weil ich weiß, dass der einen strammen Schuss hat“. Der schwedische Abwehrspieler lief an und irgendwie fand der Ball den Weg durch die Mauer und vorbei an Schober ins Tor – Bayern war Meister. Kahn rannte zur Eckfahne und riss sie heraus. „Weiter, immer weiter“, sagte er.

23. Mai 2009: Die bisher letzte knappe Titelentscheidung der Bayern war ziemlich unspektakulär, weil Wolfsburg schon vor dem letzten Spiel nicht nur drei Punkte mehr, sondern auch das etwas bessere Torverhältnis hatte.

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